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Ein Sommer mit Danica

Ein Sommer mit Danica

Titel: Ein Sommer mit Danica Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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Robic in den Andenkenladen brachte, erschütterte die Grundfesten der Familie Robic.
    Zunächst musterte Petar mißtrauisch das Papier, denn wer schickt ein Telegramm außer der Parteileitung, wenn eine Sondersitzung fällig ist, oder irgendein unbekannter Verwandter, der mitteilt, daß ein anderer, ebenso unbekannter Verwandter gestorben ist.
    »Für mich?« fragte Robic und wog das Papier auf der flachen Hand. »Tomislav, sag es vorher … etwas Unangenehmes?«
    »Wie man's nimmt.« Tomislav Tadic, krumm wie ein verdorrter Ast, Partisan der I. Brigade und in seinen besten Jahren ein Mädchenjäger, der Röcke erlegte wie andere Rebhühner, bis er vor lauter Nächtigungen im Freien, sein in Piran berühmtes Rheuma bekam, das Dr. Vicivic mit ›ein ausgeprägter Bechterew‹ bezeichnete, was natürlich niemand verstand und man einfach bei Rheuma blieb, – also Tomislav Tadic wackelte mit dem Kopf und ahnte, daß er gewissermaßen einer Bombe gegenüberstand. »Du mußt es lesen.«
    »Du kennst den Inhalt, du Gauner?«
    »Petar, ich muß es doch mitschreiben, wenn's aus dem Gerät kommt. Aber ein Postbeamter hat kein Hirn, das heißt, er hat ein Hirn, natürlich, aber dieses Hirn denkt nur dienstlich, und dienstlich heißt: Vergiß alle privaten Mitteilungen, die Postkunden bekommen. So kann ich dir auch nicht sagen, was in dem Telegramm steht. Ich bin als Postbeamter verpflichtet, das zu vergessen, weil es eine Privatsache ist.«
    Robic betrachtete das Telegramm mit offenem Mißtrauen, faltete es dann auseinander und stieß gleich als erstes einen dumpfen Schrei aus. »Von Danica!« rief er.
    »Ja –«, sagte Tomislav unklug.
    »Ich denke, du hast es vergessen?«
    »Das war – gestatte es, Petar – eine private Bemerkung.«
    »Ruhe. Meine Danica. Mein Täubchen. Schickt ihrem Väterchen ein Telegramm. Aus Deutschland. Aus Frankfurt. Weißt du, Idiot, wo Frankfurt liegt? Ha! Du weißt es nicht! Da ist einer Vertrauensmann bei der Post, bekommt ein Telegramm aus Frankfurt ins dienstliche Ohr geflüstert und weiß nicht einmal, wo es liegt. Die Dummheit der Menschen ist der Dung der Klugen. Ich sag es immer. Tomislav, stör mich jetzt nicht. Hinaus!«
    Er küßte das Telegramm dreimal, setzte sich hinter die Theke auf einen Flechthocker und begann zu lesen. Tomislav Tadic verließ schnell den Laden und versteckte sich gegenüber in einem Hauseingang.
    Was er erwartet hatte, trat sofort ein. Er hörte einen tierischen Schrei, dann stürzte Robic aus dem Laden, schwenkte das Telegramm und rannte, als habe er Feuer in der Hose, über den Tartiniplatz, hinüber zu dem Hotel, wo Stana in der Wäscherei arbeitete. Schon einige Meter vor dem Eingang des Schuppens, in dem die Waschkessel dampften und die Heißmangel sich knurrend drehte, brüllte er mit einer Stimme, die Blätter von den Bäumen reißen konnte (ein Ausspruch von Polizeichef Duschan Dravic): »Stana! Stananja! Wirf die Wäsche hin! Nach Hause! Nach Hause! Danica hat telegrafiert! Sie ruft nach mir! Mein Töchterchen, mein kleiner Liebling, mein Seelchen … sie muß ihren Vater um sich haben. Habe ich es nicht immer gesagt?« Er hielt Stana das Telegramm vor das Gesicht, sie wischte sich den Laugendunst aus den Augen, trocknete die Hände an der Schürze, nahm das Telegramm, las es und sah ihren Mann dann aus erschrockenen Augen an.
    »Sie ist in Not …«, sagte sie leise. »Petar, das ist ein Hilferuf.«
    »Bin ich ein blöder, kastrierter Hund?« schrie Robic. »Natürlich ist das ein Schrei! Pack meinen Koffer! Ich fliege nach Frankfurt! Sie ist unglücklich … sie weint … sie ruft um Hilfe … mein kleines, armes Seelchen …« Er lehnte sich gegen die feuchte Wand, putzte sich die Nase am Ärmel seines Rockes und schien plötzlich durchweicht zu sein wie ein Bettlaken in der Lauge.
    »Du bist noch nie geflogen«, sagte Stana. Sie band das Kopftuch ab, warf die Schürze weg und packte Petar unter den Arm. Die anderen Frauen in der Wäscherei sahen ihnen nach und steckten dann die Köpfe zusammen. Draußen ließ Stana ihren Mann los und las das Telegramm noch einmal.
    »Dir wird schlecht im Flugzeug, Petar. Nimm den Zug …«
    »Und wenn ich allen anderen in den Kragen kotze – ich fliege!« schrie Robic. Die Phase der Schwäche und des väterlichen Leides war überwunden. Jetzt durchloderte ihn heiliger Zorn. »Er hat sie unglücklich gemacht. Dieser verdammte Sascha hat mein Seelchen ins Elend gebracht! Ich schlage ihm den Kopf gegen die Wand wie

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