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Ein Sommer und ein Tag

Ein Sommer und ein Tag

Titel: Ein Sommer und ein Tag Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Allison Winn Scotch
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rissig, weiße Halbmonde zeichnen sich deutlich von den Nagelbetten ab. Ich überprüfe meinen Pulsschlag. Ich sollte mich jetzt eigentlich schlecht fühlen, ich weiß, dass ich mich viel schlechter fühlen müsste. Werde sauer, verdammt noch mal! Werde richtig wütend, so sehr, dass du dir sicher bist, dass du mit diesem Arschloch nie wieder ein Wort redest! «Mit wem?»
    «Einer Frau, mit der er zusammenarbeitet», sagt er und bewegt fast unmerklich den Kopf dabei. «Ich wollte nicht zu sehr darin herumwühlen, nicht zu viel schmutzige Wäsche waschen – deswegen haben Sie im Fernsehen auch nie etwas davon gehört. Ich weiß nur, dass er ausgezogen ist, oder vielmehr, dass Sie ihn rausgeschmissen haben. Vor ungefähr vier Monaten.»
    «Aber ich war in der achten Woche schwanger!»
    «Die intimeren Einzelheiten kenne ich bis jetzt noch nicht», stottert er, wieder ganz menschlich. «Ich meine, wenn Sie wollen, kann ich mich etwas umhören, ich … na ja, es gab einfach eine Grenze, die ich nicht überschreiten wollte. Nach allem, was Sie durchgemacht haben, hätte ich es einfach unfair gefunden.»
    Plötzlich steigen mir Tränen in die Augen. Nicht wegen Peter, sondern weil Jamie so nett ist. Oder vielleicht doch wegen Peter, vielleicht ist es eine echte, instinktive Reaktion, aber ich weiß einfach überhaupt nicht, was angemessen wäre, wie ich reagieren soll. Jamie erstarrt, unsicher, was er tun soll. Ich wische mir mit der Hand über das Gesicht und versuche, dieses undurchsichtige Gefühlschaos beiseitezuschieben, das schwer auf meiner Brust lastet.
    «Sie besitzen viel zu viel Anstand, um Journalist zu sein», sage ich nach einer Weile fast lächelnd.
    «So ist das nicht.» Er lächelt schüchtern zurück. «Glauben Sie mir. Aber Andersons Vergangenheit wird gerade bis ins kleinste Detail zerpflückt – Exfreundinnen tauchen aus der Versenkung auf und melden sich zu Wort, One-Night-Stands beanspruchen ihre fünfzehn Minuten Ruhm, Nachbarn stehen beim Enquirer Schlange – es fühlt sich einfach nicht richtig an, es bei Ihnen genauso zu machen, weil Sie nie um Öffentlichkeit gebeten haben. Ich wollte es für den Augenblick einfach auf sich beruhen lassen – entgegen sämtlichen journalistischen Instinkten.» Er räuspert sich. «Die Affäre und die Schwangerschaft meine ich. Vom Rest habe ich natürlich berichtet.»
    Ich lehne mich zurück und schaue zum Fenster hinaus, in den wolkenlosen, strahlend blauen Sommerhimmel über Iowa. Bald wird die Sonne untergehen, die Felder in ein weites, dunkles Schwarz tauchen, wieder einen Tag aus- und den nächsten einläuten – einen Tag nach dem anderen, jeder ist für mich gleich: eine leere Hülse.
    «Nach allem, was Sie über mich gelesen, was Sie über mich herausgefunden haben: Würden Sie sagen, dass ich glücklich war?», frage ich ihn schließlich.
    «Ach du meine Güte, Nell, das dürfen Sie mich nicht fragen.» Er wendet den Blick ab. «Das können andere bestimmt besser beurteilen.»
    Statt einer Antwort schließe ich die Augen. Es ist doch offensichtlich: Wir wissen beide ganz genau, dass ich es nicht gewesen bin, das liegt doch auf der Hand.

    Als ich wieder aufwache, ist es dunkel geworden. In meinem Zimmer ist es still, und ich fühle mich so erschöpft wie seit Tagen nicht mehr.
    «Nell!» In der Ecke sitzt Peter.
    «Wieso hast du mir nichts gesagt?» Ich schließe die Augen und wünschte, er würde wieder verschwinden. «Das hättest du mir sagen müssen.» Meine Stimme schrillt durch den Raum und durchschneidet die Stille. Natürlich hättest du mir das sagen müssen! Wenn nicht du, dann Rory. Wenn nicht Rory, dann meine Mutter! Wie viele Schichten muss ich durchdringen, um an den wahren Kern meines Lebens zu gelangen? Aber anstatt meiner Empörung Luft zu machen, sage ich nichts. Ich bin mir nicht sicher, wem von ihnen ich im Augenblick vertrauen kann oder wieso ich überhaupt nur einem von ihnen vertrauen sollte, sosehr sie auch versuchen, mich vom Gegenteil zu überzeugen.
    «Ich weiß. Ich weiß, ich hätte es sagen müssen.» Seine Stimme wird brüchig. Aber statt Mitleid regt sich Abscheu in mir, weil ich mich zusätzlich jetzt auch noch mit seinem Schmerz und seinem Egoismus rumschlagen muss. «Sie haben mir geraten, es nicht zu tun, da sie den Stress für dich vermeiden wollten. Man hat uns ganz klare Anweisungen gegeben, nichts zu tun, was dich aufregen könnte. Und deshalb …» Er lässt die Arme fallen. «… habe ich es nicht

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