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Ein Sommer und ein Tag

Ein Sommer und ein Tag

Titel: Ein Sommer und ein Tag Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Allison Winn Scotch
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Anderson ist fort, um die neue Friends -DVD einzulegen, müsste ich die Schwester rufen, und meinen iPod habe ich heute bereits so viele Stunden in Anspruch genommen, dass der Akku erst mal wieder laden muss. Was soll ich sonst schon mit meiner Zeit anfangen?
    Ich schließe die Augen und stelle mir vor, wie ich mein Misstrauen und meine Wut nehme und beiseitelege. Wie ein Chirurg einen frisch entfernten Tumor.
    «Na gut», sage ich. «Erzähl es mir. Erzähl mir unsere Geschichte. Auch wenn ich nicht versprechen kann, dass es uns irgendwie hilft.»

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    5
«Have a Little Faith in Me»
Joe Cocker
    ***
    P eter kaut auf seiner Unterlippe. Es ist ihm deutlich anzusehen, dass er überlegt, wie er am besten anfangen soll, da für ihn so unglaublich viel auf dem Spiel steht. Fängt er versehentlich an der falschen Stelle an, wird sie niemals nachgeben, ihn nie wieder so ansehen wie früher und ihn auch – und nur darum geht es – nie wieder zurücknehmen.
    Sie guckt ihn erwartungsvoll an, aber nur kurz. Dann schweift ihr Blick ab, und sie lässt den Unterkiefer kreisen, als hätte sie es sich bereits anders überlegt. Doch ihr Blick kehrt wieder zu ihm zurück, sie atmet und wartet und atmet.
    Er setzt die Baseballkappe ab, fährt sich mit den Fingern durch die Haare, denen die schwache Hoteldusche keinen Gefallen getan hat, und holt tief Luft. Und dann fängt er an.
    «Ich beginne wohl am besten bei unserer Hochzeit», sagt er und nickt unwillkürlich, als müsste er sich selbst noch mehr beschwichtigen als sie. Er weiß genau, was er zu verlieren hat. Er kann unmöglich wieder in das schäbige Einzimmerappartement zurückgehen, das er sich auf die Schnelle mieten musste, nachdem sie ihn rausgeworfen hat. Die Art Loch, das man mietet, wenn man direkt vom College kommt. Wo man dann noch eine Rigipswand einzieht, um seinem genauso unglücklichen Zimmergenossen ein bisschen Privatsphäre zu gönnen. In einem Wohnheim, in dem sämtliche Mitbewohner ein ganzes Jahrzehnt jünger sind und von üblen Zechtouren nach Hause getorkelt kommen, wenn er schon auf dem Weg zur Arbeit ist. Die ihn nicht nur an seine verlorene Jugend erinnern, sondern, um ehrlich zu sein, auch daran, dass der Rest von ihm ebenfalls ziemlich verloren ist.
    «Fangen wir bei unserer Hochzeit an. Das klingt jetzt zwar ziemlich abgedroschen, aber es war der schönste Tag meines Lebens» – er räuspert sich –, «unseres Lebens.»
    Stimmt das? War es wirklich der schönste Tag ihres Lebens? Er weiß es nicht. Aber in ihrer gemeinsamen Geschichte wimmelt es von Tretminen, die es zu vermeiden gilt, und dieser Pfad erscheint ihm einigermaßen sicher, ein guter Start, um erst mal Fuß zu fassen.
    «Ich habe die Fotos gesehen», sagt sie, und er zögert wieder, weil er nicht weiß, ob sie nur höflich ist oder ob sie ihm die Sache noch schwerer machen will.
    «Ich weiß, ich weiß.» Sein Kopf wippt auf und ab. «Aber auf den Fotos kommt nicht rüber, wie wunderbar es war, wie unglaublich magisch es gewesen ist.»
    «Magisch?», fragt sie zurück und lacht auf.
    Als sie ihn auslacht, bekommt er heiße Ohren, obwohl er es gewohnt ist. Sie war nie eine besonders nette Ehefrau und gehörte definitiv auch nicht zu der Sorte, die einem abends auf der Couch die Füße massieren, die sich Tag und Nacht auf ihren Mann verlassen oder sich an seiner Schulter ausweinen, wenn mal wieder alles drunter- und drübergeht. Nein – sie war das Mutterschiff, und er folgte in ihrem Fahrwasser. Sie hat sich so gut wie nie nach ihm umgedreht, um sich davon zu überzeugen, dass er bei dem Versuch, ihr nachzuschwimmen, noch nicht ertrunken war. Am Anfang hatte diese Konstellation ganz gut funktioniert: Seine Freunde wurden nicht müde, ihm zu sagen, was er für ein Glückspilz war, weil seine Frau nichts dagegen hatte, wenn er mit den Jungs bis spätnachts um die Häuser zog, weil sie nicht klammerte und ihm auch nicht mit dem Wunsch nach Kindern in den Ohren lag, obwohl er noch nicht bereit dazu war. Klar; er liebte seine Nächte mit den Jungs und war so dankbar, wie jeder frischgebackene Ehemann es wäre, dessen Leben nicht von heute auf morgen völlig auf den Kopf gestellt wurde, nur weil sie Ringe getauscht hatten. Aber, mal ehrlich, sagte er vor etwa einem Jahr beim Rasieren zu seinem Spiegelbild: Du bist ein Typ, der gebraucht werden möchte, und sie, na ja, sie braucht eigentlich niemanden. Ihre Neckereien wurden zusehends weniger witzig, vielmehr immer

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