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Ein Sommer und ein Tag

Ein Sommer und ein Tag

Titel: Ein Sommer und ein Tag Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Allison Winn Scotch
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Bettkante sinken. «Himmel! Es tut mir leid!»
    Ich kaue auf meiner Unterlippe und versuche zu erspüren, wie sauer ich bin und wie sehr mich die Erkenntnis trifft, dass meine Ehe kaputt ist. Die Antwort: nicht sehr. Das wäre wahrscheinlich anders, wenn ich mich daran erinnern würde, weshalb ich betroffen sein sollte.
    «Wieso haben wir uns getrennt?», frage ich deshalb nur.
    «Ich bin mir nicht sicher, ob ich Ihnen das sagen darf», antwortet er.
    «Hören Sie, Jamie. Ich mag Sie. Keine Ahnung, warum, aber ich mag Sie. Ich vertraue Ihnen. Offensichtlich sind Sie der Einzige in meiner Umgebung, der gewillt ist, mir die Fakten über mein Leben mitzuteilen, Fakten, an die ich mich verdammt noch mal nicht erinnern kann. Also bitte! Reden Sie offen mit mir!»
    Er atmet hörbar aus, dann reibt er sich mit den Handflächen immer und immer wieder über die Wangen.
    «Ich bin mir wirklich nicht sicher, ob es das Richtige wäre.»
    Ich beäuge ihn skeptisch und versuche einzuschätzen, wie sich die Situation am besten zu meinen Gunsten wenden ließe. Ganz selbstverständlich keimt die Idee, ihn zu manipulieren, ihn auf meine Seite zu ziehen, in mir auf. Eine Rolle, in die ich mühelos hineinschlüpfe wie in das alte Lieblingssweatshirt, das viel zu lange in den Untiefen des Kleiderschranks verlorengegangen war. Ich schmiege mich hinein, und oh, ja! Das fühlt sich absolut richtig an.
    «Jamie? Wollen Sie einen wichtigen Beitrag zu der Operation Freiheit für Nell Slattery leisten?»
    Einen ähnlichen Spruch hatte ich schon mal in den Nachrichten gehört. Mir hat der Klang gefallen. Inspirierend, finde ich.
    «Wie bitte?»
    «Wollen Sie mitmachen an der Operation Freiheit für Nell Slattery – Sie wissen schon, mich aus dem Krankenhaus befreien?» Mich aus dieser dunklen Leere befreien.
    «Ja, das möchte ich», sagt er feierlich.
    «Bleiben Sie locker. Sie müssen mir nicht Ihre Seele verkaufen. Abgesehen davon, dass ich sowieso dachte, Journalisten hätten gar keine Seele.»
    Ha, ha! , sagen wir gleichzeitig.
    «Ich habe eine Seele», versichert er mir. «Deswegen wollte ich Sie auch nicht aufregen.» Hast du. Ich nicke. Hat er , denke ich. Genau deshalb wollte ich doch mit ihm reden. Mein Bauchgefühl. Mir ist vielleicht nicht viel geblieben, aber wenigstens darauf kann ich mich verlassen. Ich höre, wie es mich anfleht, mich beschwört, noch einmal ganz von vorne anzufangen, anders zu sein, ihm meine Geschichte zu erzählen. All das.
    «Sie regen mich nicht auf, Sie klären mich auf. Sie erzählen mir Dinge, die mir aus unerklärlichen Gründen sonst keiner erzählt.» Er senkt den Kopf. Er hat es kapiert. Schließlich ist er Journalist – klug genug, um zu wissen, dass beide Seiten, sowohl das Medium als auch die Bedeutung der Nachricht, die Dinge selbst verändern können. «Hören Sie. Sie wissen genauso gut wie ich, dass da draußen eine ganze Horde Reporter lauert, die nur darauf warten, mit mir zu sprechen, neue Informationen zu bekommen. Ich höre, wenn sie auf der Station anrufen, ich sehe, wie sie sich neben Sie drängen, wenn Sie auf Sendung sind. Aber ich habe Sie gewählt! Wir machen es folgendermaßen: Sie erzählen mir, was ich wissen muss, was ich wissen will! Und im Gegenzug garantiere ich Ihnen exklusiven Zugang.»
    «Exklusiven Zugang?»
    «Ja. Zu mir, zu meiner Geschichte, zu meiner Familie. Sie können mich benutzen, um – wie Sie es ausgedrückt haben – endlich aus Iowa rauszukommen. Ich verlange nur, dass Sie mich richtig informieren, mir die Wahrheit erzählen, und zwar nichts als die Wahrheit.»
    Er schluckt, und ich weiß, dass er angebissen hat. Er will es, und zwar noch viel mehr, als er nett zu mir sein will. So ist der Mensch nun mal. Das nennt sich Selbsterhaltungstrieb.
    «Also, erzählen Sie’s mir», fordere ich ihn auf. «Falls wir wirklich eine Vereinbarung haben, falls Sie Teil der Operation Freiheit für Nell Slattery sind, dann erklären Sie mir jetzt, weshalb Peter und ich uns getrennt haben. Und zwar schnell und ohne Umschweife. Als würden sie ein Pflaster abziehen.»
    Er mustert mich einen Augenblick lang, versucht meine Kraft und meine Willensstärke, die Wahrheit zu erfahren, einzuschätzen und kommt zu dem Schluss, dass beides ausreichend groß ist. Dann sagt er: «Okay, abgemacht.» Einen Moment lang wird er still, dann sagt er nüchtern, ganz der Nachrichtensprecher: «Er hat Sie betrogen.»
    «Puh!», mache ich und starre meine Fingernägel an – die Nagelhaut ist

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