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Ein Sommer unwahrscheinlichen Gluecks

Ein Sommer unwahrscheinlichen Gluecks

Titel: Ein Sommer unwahrscheinlichen Gluecks Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Laura Mundson
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italienischen Liebhaber. Vielmehr sehnte ich mich nach Abenteuern. Allerdings nicht von der Sorte »Im Notfall zücke ich meine Kreditkarte«, wie das viele andere Mädchen aus meinem Studienprogramm taten. Ich wollte Sachen machen wie einen Monat lang mit dem Rucksack durch die Türkei reisen. Dabei vielleicht ein paar Teppiche kaufen und auf Bahnhöfen gleich darauf schlafen. Ich wollte nach Prag. Wollte sehen, was es mit den Unruhen in Jugoslawien auf sich hatte. Kurz: Ich wollte einfach aus diesem vorgestanzten Vorzeige-Leben ausbrechen, das mich veranlasst hatte, zunächst auf das bereits erwähnte private College für Geisteswissenschaften zu gehen. Weg mit dem Druck! Ich wollte endlich mal unappetitlich und gammelig sein. Mir die Achselhaare wachsen lassen. Und ich wollte definitiv nicht in den prunkvollen Trompe-l’œil-Fluren unserer italienischen Schule herumhängen, Marlboro Lights rauchen und dazu Cola Light trinken!
    Ich hatte mich auch deshalb für diesen Studiengang entschieden, weil eine Studentin, die ich vom College kannte, gerade so von dort zurückgekommen war, wie ich mir das später für mich vorstellte. Mit Wahnsinns-Lederstiefeln, einem Faible für blutroten Lippenstift und Geschichten von nächtelangem Haschrauchen auf Kirchenstufen mit Zigeunern. Mit anderen Worten: Ich war unerträglich, keinen Deut besser als alle anderen. Aber ich fühlte mich überlegen und
dachte, Italien hielte ein Heilmittel für mein rastloses Herz parat.
    Zudem hatte ich mich für das Programm auch wegen der Familie entschieden. Die junge Frau hatte bei einer fantastischen Familie gelebt und erzählte Geschichten von Wochenenden auf dem Land in der Toskana. In einer Villa. Vom Pastasoße-Kochen mit der Großmutter, vom Feigenpflücken mit dem Vater, vom Einkochen der Feigenmarmelade mit der Mutter und von Festen in anderen toskanischen Villen, die sie mit der Schwester und dem Bruder besucht hatte und auf denen man Fasanen über offenem Feuer gegrillt hatte.
    Sie erzählte mir auch von Cousins, vom Onkel, der ein berühmter Künstler war, und davon, wie sie alle gemeinsam im Frühling die Ferien in ihrem Haus auf der Insel Elba verbracht und ihre amerikanische Studentin eingeladen hatten, sie dorthin zu begleiten. Sie erzählte, was für eine normale Familie das sei. Ganz ohne Vorurteile, so unbelastet, lässig und liebevoll.
    Sie schilderte in den schönsten Farben, wie diese Leute am Mittelmeerstrand Zelte mit Karabinern an glatten Felsen befestigten und dann den ganzen Tag mit Essen und Sonnenbaden verbrachten. Sie erzählte mir von ihrer Stadtwohnung und dass diese zu Fuß ein ganzes Stück von der Schule entfernt sei, doch wenn man jeden Tag zu Fuß hin und zurück ginge, würde man sogar abnehmen, auch wenn man so viel äße wie nie zuvor im Leben. Auch dass es entlang des Weges zahllose Cafés gäbe, in die man auf einen Espresso oder Macchiato oder ein Glas Wein, Grappa oder Prosecco einkehren könne.
    »Und allein schon die Düfte wären ein Grund, nach Florenz zu gehen«, sagte sie. »In den Straßen reiht sich ein märchenhafter Geruch an den nächsten, manchmal stinkt es auch
verrottet und gammelig, dann riecht es sofort wieder süß und blumig, danach sauer und verpestet oder würzig und antik.«
    Ich hatte damals gerade Anaïs Nins Erotika gelesen und gefiel mir selbst in der Rolle der Sinnlichen (brrr – ich weiß). Dieses Bild von Italien sprach mich daher ungeheuer an, sodass ich mich bewarb, einen Platz in dem Studienprogramm bekam, bei der von mir gewünschten Familie untergebracht wurde und ein Jahr bei ihr lebte. In dieser Zeit unternahm ich all die Dinge, von denen ich zuvor gehört hatte, mied die anderen Amerikanerinnen und schüttelte alle inwendigen und äußerlichen Fesseln der WASP-Society ab. Stattdessen schwelgte ich in der Atmosphäre einer Stadt, einer Kultur und einer Familie, die für mich den ersten Freiraum bedeuteten, den ich je erlebt hatte.
    Ich nutzte jede sich mir bietende Gelegenheit, um ohne meinen Baedeker durch die Straßen von Florenz zu streifen, wie die Romanfiguren des im Jahr zuvor verfilmten Zimmer mit Aussicht . Beim Spaziergang durch die Gassen verlief ich mich absichtlich, während aus meinem Walkman »O Mio Babbino Caro« in die Kopfhörer schallte. Dann blieb ich irgendwann stehen und blickte mich genau um. Ich wollte keinen einzigen Wasserspeier übersehen, keinen kleinen, improvisierten Altar, keine frische Feige. Zwischen den Unterrichtsstunden lag ich am

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