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Ein Sommer unwahrscheinlichen Gluecks

Ein Sommer unwahrscheinlichen Gluecks

Titel: Ein Sommer unwahrscheinlichen Gluecks Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Laura Mundson
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da wurde mir klar, dass ich dreieinhalb Jahre lang das falsche Fach studiert hatte.

    Es half mir, dass mein Filmprofessor auf mein »Meisterwerk« ziemlich heftig reagierte: »Das ist doch kein Kino! Bringen Sie das den Idioten an der Englischfakultät!« Allerdings muss ich zugeben, dass es sich damals nicht sehr hilfreich anfühlte, schon gar nicht, als ich die Vier minus sah, die er mir dafür gegeben hatte.
    Als ich dann mit rotem Gesicht und verzweifelt vor dem Schreibtisch des Dekans der Englischfakultät stand – unter dem Arm einen dicken Packen von mit zweizeiligem Abstand beschriebenen Blättern (damals ahnte ich natürlich noch nicht, dass ich den Großteil der kommenden zwanzig Jahre in diesem Zustand verbringen würde) –, da erkannte ich meine Berufung.
    »Wo zum Teufel haben Sie gesteckt?«, sagte er, während er die Seiten überflog. Am nächsten Tag saß ich bereits in »Schreiben für Fortgeschrittene« und verfasste meine erste Kurzgeschichte, die mir eine Eins plus und einen dritten Platz in einem landesweiten Schreibwettbewerb einbrachte. Das erzählte ich meinen Eltern an jenem Wochenende auch.
    Trotzdem sahen die beiden mich ziemlich konsterniert an. Irgendwie überstieg das ihr Vorstellungsvermögen – ein Leben als Schriftstellerin. Sie kannten nicht einmal jemand, der jemanden kannte, der Schriftsteller war.
    Vielleicht entschied ich mich ja gerade deshalb dafür.

    Ich bin mir nicht sicher, ob mein Vater das mit dem Schreiben je verwunden hat. Ein Faktum der Literaturgeschichte hatte er jedoch stets präsent: »Agatha Christie erhielt über zwanzig Absagen, bevor ihr erstes Buch veröffentlicht wurde.« Das sagte er mir immer wieder.
    Doch im Laufe der Jahre bekam ich weit mehr als zwanzig Absagen, und irgendwann hörte er auf, mich nach dem blauen
Duesenberg zu fragen. Ich bin sicher, dass er das tat, um mich nicht zu kränken.
    Trotzdem hatte er bis zu seinem Tod den Briefbeschwerer auf seinem Schreibtisch. Und ich weiß, dass ihm dieses alte Stück Holz mit dem verblichenen Foto so viel bedeutete wie ein echtes Auto.
    Mein Vater war mein Fürsprecher. Er kannte mich durch und durch. Er wusste um meine komplexe, leidenschaftliche, leicht melancholische Natur. Er kannte mein ausgeprägtes Faible für Abenteuer, lautes Gelächter und lange Gespräche. Zu gern zitierte er eine meiner Lehrerinnen im Internat, die über mich gesagt hatte: »Laura ist ein offenes Buch.« Viele Menschen aus WASP-Kreisen hätten dem hinzugefügt »und vielleicht sollte sie es hin und wieder schließen«. Doch mein Vater war nicht so.
    Er las meine Bücher nicht wirklich. Er war eher der Reader’s Digest -Typ. Doch er hörte mir bereitwillig zu, wenn ich ihm in Familienferien davon erzählte, ihm Ausschnitte vorlas, selbst wenn er die Hälfte davon verschlief. Das machte mir auch nichts aus. Wissen Sie, wie wertvoll jemand ist, der so viel Vertrauen in einen setzt, dass er das fertige Produkt nicht einmal zu sehen braucht? Ich hoffe, Sie wissen das. Und ich hoffe, ich bin nicht die Einzige, die solches Glück hatte.
    Ebenso vielsagend war es auf der Intensivstation, wo ich die letzten Wochen seines Lebens mit ihm durchlitt. Eines Abends sahen wir uns einen Film der Marx Brothers an, den ich ausgeliehen hatte: A Night at the Opera . Er lachte unter seiner Sauerstoffmaske: »Ach, Laura, das bringst nur du fertig. Du und ich, wir hatten schon immer den gleichen Sinn für Humor.« Dann blickte er zu mir auf, zog sich die Maske vom Gesicht und sagte: »Du hast mich immer verstanden.«

    »Du mich auch, Dad«, sagte ich und versuchte, nicht zu weinen.
    Als er wenige Wochen darauf starb, war meine Trauer geradezu lähmend. Ich wusste, was jetzt für mich anstand: diese alte verdammte Liebe zu einem selbst. Und nach zwanzig Jahren konsequenten Ignorierens, unter einer drückenden Schuldenlast und mit einem zunehmend mutlosen Ehemann … da war ich mir nicht sicher, ob ich auch nur dazu imstande wäre, die ungefähre Richtung auf etwas zu, das der Liebe zu mir selbst nahekam, einzuschlagen. Denn genau genommen hatte ich diese lediglich vorgetäuscht, bis sie hinter meiner eigenen Kulisse kaum noch existierte.
    Man muss froh sein, wenn man in seinem Leben auch nur einen einzigen Menschen hat, der einen wirklich versteht.
    Ich hatte zwei davon: meinen Vater und meinen Mann.
    Wenn ich doch jetzt meinen Vater anrufen und ihm dafür danken könnte, dass er so an mich geglaubt hat. Und wenn ich ihn doch nur fragen könnte,

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