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Ein Sonntag auf dem Lande

Ein Sonntag auf dem Lande

Titel: Ein Sonntag auf dem Lande Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Pierre Bost
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schlecht. Das Rouge und der Puder machten sie hässlicher, zudem verachtete sie angemalte und, ganz allgemein, elegante Frauen. Was bedeutete, dass sie sich mit Monsieur Ladmirals Tochter Irène schlecht verstand, die sie anstößig fand und die ihr gleichzeitig Angst machte. Aber da sich die beiden Frauen so gut wie nie sahen, war Marie-Thérèse davon überzeugt, dass sie ihre Schwägerin gernhatte, wie es sich gehört.
    Sie setzte sich auf einen orientalisch anmutenden Diwan, das Hauptschmuckstück des Ateliers. Monsieur Ladmiral stieß einen Schrei aus.
    »Nicht auf den Diwan! Der steht Modell!«
    »Wie bitte?«
    Monsieur Ladmiral erklärte, dass er zum zwanzigsten Mal dabei sei, eine Ansicht seines Ateliers zu malen. Er hatte die Diwankissen in einer kunstvollen Unordnung arrangiert; eine ausladende Seidenstola hing bis zum Boden in einer Bewegung, die gleichermaßen nachlässig und einstudiert wirkte. Marie-Thérèse begriff schnell.
    »Das wird entzückend aussehen.« Denn sie hatte das Wort »entzückend« durch die Begegnung mit der Familie Ladmiral kennengelernt und verwendete es niemals in anderen Kreisen. Sie hätte sich dafür geschämt.
    Sie stand auf, um das angefangene Gemälde, das auf einer Staffelei stand, zu betrachten. Durch ihren Mann mit den schönen Künsten vertraut gemacht, schwärmte sie für die Malerei Monsieur Ladmirals. Tatsächlich kannte sie gar keine andere.
    »Wissen Sie was?«, sagte sie. »Sie sollten eine Katze zeichnen, die sich auf den Kissen ausstreckt, so wie Sie es letzten Winter gemacht haben, auf dem großen Gemälde, Sie erinnern sich?«
    Kurz darauf schlug ein Erdbatzen gegen die gläserne Wand des Ateliers. Edouard lief hin:
    Im Garten entdeckte er Emile und Lucien, die ganz ruhig und furchtbar traurig auf dem Rasen saßen und nicht wie Kinder wirkten, die gerade einen Lehmklumpen gegen die Scheiben geworfen hatten. Edouard machte ihnen durch die Scheibe hindurch heftige Vorwürfe. Die Kinder verstanden nicht, was er sagte, aber das Schauspiel ihres Vaters, der tonlos den Mund und die Arme bewegte, ließ sie lauthals auflachen.
    »Und jetzt lachen sie auch noch!«, rief Edouard ganz außer sich.
    »Du weißt doch«, sagte Marie-Thérèse, »dass die Kinder keine Ahnung davon haben, wie man sich im Freien vergnügt. Notgedrungen« – sie wandte sich ihrem Schwiegervater zu – »sind sie daran nicht gewöhnt. In einem gewissen Sinn ist es so für die Pariser Kinder besser, da sie keinen Garten haben. Sehen Sie sich zum Beispiel Lucien an: Wenn es sich ergibt, dass ich ihn in den Jardin du Luxembourg oder sonst wohin mitnehme, muss er sich in den Musikpavillon zurückziehen. Er mag frische Luft nicht, dieser Junge, da ist er wie sein Bruder. Gewiss ist das bedauerlich, aber in ihrem Alter können sie sich nicht ändern.«
    Monsieur Ladmiral, der immer Angst hatte, dass in seinem Atelier etwas beschädigt wurde, runzelte die Stirn, prüfte die Glasfront sorgfältig und vergewisserte sich, dass kein Stückchen Erde eingedrungen war. Er war missmutig, wollte sich aber nichts anmerken lassen. Es ist ärgerlich, die ganze Zeit so auszusehen, als würde man sich beklagen und seine Enkelkinder ausschimpfen. Bei einem Großvater entschuldigte man alles, jeder weiß das. Aber diese Bengel waren unerträglich.
    »Ein Glück nur«, sagte Marie-Thérèse optimistisch, »dass sie keinen Kiesel geworfen haben. Aber das – ich kenne sie ja – ist nicht ihre Art; rücksichtslos sind sie nicht.«
    »Was nichts daran ändert«, sagte Edouard, »dass der Kleine neulich sehr wohl der Käseglocke einen Sprung versetzt hat, mit einem Schraubenschlüssel.«
    »Ja, aber bei der Käseglocke trifft ihn keine Schuld. Stellen Sie sich vor«, erläuterte sie Monsieur Ladmiral, »ich habe eine neue Haushaltshilfe, weil die alte aus unserem Viertel weggezogen ist. Irgendeine Geschichte mit dem Wohnungsbesitzer. Ich muss sagen, dass sie kein zuverlässiges Mädchen war. Die Neue weiß nun noch nicht, wo die Dinge hingehören, was die Sache mit der Käseglocke erklärt. Und wenn ich nicht ständig hinter ihr her bin …«
    »Wenn die Tür des kleinen gelben Schranks verschlossen geblieben wäre«, sagte Edouard in einem Tonfall schwer widerlegbaren Argumentierens, »und wenn Lucien nicht in meinem Werkzeugkasten herumgewühlt hätte …«
    »Ah, das stimmt, das mit dem Herumwühlen in deinem Kasten, das ist etwas anderes«, sagte Marie-Thérèse. »Mir ging es darum, etwas zu deiner Behauptung

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