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Ein Sonntag auf dem Lande

Ein Sonntag auf dem Lande

Titel: Ein Sonntag auf dem Lande Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Pierre Bost
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Gonzague und gab den Rippenstoß zurück, »der beste aller Väter!«
    Marie-Thérèse fand es anrührend, einen Vater und einen Sohn zu sehen, die sich so gut verstanden. Ganz glücklich griff sie nach Monsieur Ladmirals Arm, um mit ihm einen Rundgang durch den Garten zu machen.
    Der große Garten war voller bezaubernder Blumen. Die recht hohen Bäume bewegten sich leicht im Glanz der Sonne. Hinter den niedrigen Mauern, die ihn umschlossen, begann das auf einer Seite von Wald begrenzte Land. Monsieur Ladmiral liebte seinen Garten und war stolz auf ihn; hundertmal hatte er ihn gemalt und betrachtete ihn als eine Schatzkammer. Hier wuchs nicht ein Gemüse, nichts als Blumen und Bäume, so wenig Obstbäume wie möglich, vielmehr richtige Bäume.
    Edouard nahm den anderen Arm seines Vaters, und sie gingen alle drei mit kleinen Schritten durch die Blumen. Edouard spürte, wie ihm eine Hitzewallung ins Gesicht stieg, und er merkte, dass er gerührt war. Er schaute auf seinen Vater neben sich, etwas kleiner und vornübergebeugt. Von oben sah er diesen Schädel mit dem weißen Haarkranz. Er spürte an seinem Arm den noch festen Arm seines Vaters und die unangenehm feuchte Hitze unter den Achseln. Irgendwie war er unruhig, ohne zu wissen warum, und plötzlich fühlte er, wie sich seine Brust zuschnürte, als ob sich eine Katastrophe ankündigte. Instinktiv drückte er den warmen Arm dieses alten Mannes, als wolle er ihn stützen, und verlangsamte seinen Schritt. Er hatte gerade daran gedacht, dass sein Vater sterben würde, nicht eines Tages wie jedermann, sondern bald. Er betrachtete seinen Vater und dachte, weil sie ihm beide den Arm gaben, dass er schlecht zu Fuß war.
    »Bist du nicht müde?«, fragte er mit einer Stimme, in die sich viel zu viel Sorge mischte.
    »Müde? Ich? Wovon soll ich müde sein?«
    Edouard ließ den Arm seines Vaters los. Er verspürte Lust, mit einer bissigen Bemerkung zu antworten, hielt sich zurück und stieß eine Art Seufzer aus.
    »Du keuchst?«, fragte Monsieur Ladmiral und stieg die Rasenstufen hinauf, die zu einem kleinen Aussichtspavillon führten. Dort stand eine Steinbank, auf die sich alle drei setzten. Edouard biss die Zähne zusammen, denn er wusste, was sein Vater gleich sagen würde. Und in der Tat:
    »Hier«, sagte Monsieur Ladmiral fröhlich, »hier setzten sich die Setzlinge.«
    Edouard lachte kurz auf, wie jedes Mal, und Monsieur Ladmiral schlug, wie jedes Mal, seinem Sohn auf den Schenkel. »Die Scherze mit dem längsten Bart sind die ältesten Scherze«, sagte er, wie jedes Mal.
    Dann zeigte er auf die Landschaft, in deren Mitte eine im Bau befindliche Straße zu sehen war. Um sich einen Umweg zu sparen, hatte man eine Schneise in den Hügel geschlagen; die neue Straße würde schnurgerade hindurchführen. Da es Sonntag war, lag die Baustelle verwaist da.
    »Siehst du, was sie da seit zwei Wochen gemacht haben?«, fragte Monsieur Ladmiral. »Ich sage zwei Wochen, weil ihr letztes Wochenende nicht gekommen seid, was ich euch nicht übel nehme. Ist das nicht lächerlich? Mehr als ein Jahr arbeiten sie – wenn man das Arbeit nennen kann! – daran, und um was zu gewinnen? Vierhundert Meter vielleicht … Aber es sieht so aus, als befänden wir uns im Jahrhundert der Geschwindigkeit, beherrscht von den Automobilisten … herrje!«
    Monsieur Ladmiral bediente sich des Autos, und das gern, wann immer er konnte, hegte ihm gegenüber aber einen tiefen Groll. Edouard sah die alte Diskussion über das Automobil aufkommen, den Fortschritt, die gute alte Zeit, die Politik und die soziale Frage – die alte Diskussion, vor der er seit Jahren floh und die sein Vater ständig ansprach. Er stieß einen Seufzer aus.
    »Nun ja … wie du sagst …«
    Monsieur Ladmiral spürte einmal mehr, dass sich sein Sohn entzog. Seine Stimmung geriet ins Wanken.
    »Gewiss, ich stamme aus einer anderen Zeit. Aber du bist jung, du solltest das alles prächtig finden.«
    »Nun … sicher«, sagte Edouard, »das sollte ich, aber nein, ich bin wie du und finde es lächerlich, Millionen auszugeben, um vierhundert Meter Straße zu gewinnen.«
    »Du auch, ja?«
    Monsieur Ladmiral schien enttäuscht. Diese andauernde Zustimmung störte ihn. Seine eigenen Meinungen kamen ihm, sobald sein Sohn sie stützte, viel weniger gültig vor, und da er sie bei einem Mann von vierzig Jahren für überholt hielt, warf er sich selbst vor, rückständig zu sein, und nahm das Gonzague ein wenig übel.
    »Deine Schwester

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