Ein Spiel um Macht und Liebe
und das Geld, das der Earl ihr anbot, hatte ihrer Auffassung nach rein gar nichts mit Nikki zu tun?«
Keja lächelte wieder ihr zahnloses Lächeln und nickte eifrig. »Für eine Nicht-Roma begreifst du recht schnell. Ich will dir beweisen, daß Marta ihren Sohn nicht für Gold verkauft hat.« Sie öffnete eine Truhe und wühlte darin herum, bis sie einen schweren Lederbeutel gefunden hatte, den sie Clare reichte. »Sie hat mir das hiergelassen, damit ich es Nikki zur richtigen Zeit gebe.«
Clare öffnete das Säckchen und zog die Luft ein, als sie die Goldmünzen darin sah.
»Es ist noch alles da, bis auf ein oder zwei Guineas, mit denen Marta auf dem Rückweg zu den Roma etwas zu essen kaufte«, sagte Keja.
»Die nächste Kumpania, die sie traf, war meine, und so blieb sie.«
»Und was ist mit ihr geschehen?«
Keja sog wieder an der Pfeife und stieß den Qualm aus, der um ihr Gesicht waberte. »Marta starb im folgenden Winter in meinen Armen. Das Gold habe ich all die Jahre für Nikki behalten.«
Clares Verwirrung wuchs. »Warum hat ihm denn nie einer gesagt, daß seine Mutter ihn fortgab, weil sie sterben mußte? Das Wissen wäre ihm bestimmt sehr wichtig gewesen. Und warum hast du ihm das Gold nicht früher gegeben? Du hast ihn in den letzten Jahren doch oft genug gesehen.«
»Marta ließ mich schwören, es nur Nicholas’ Frau zu sagen, denn sie meinte, nur eine Frau könnte verstehen, daß eine Mutter das Beste für ihr Kind tun muß«, sagte Keja sanft.
»Aber Nicholas hatte doch schon eine Frau.«
Keja sah aus, als hätte sie ausgespuckt, wenn sie im Freien gewesen wäre. »Bah, er hat mit der geschlafen, aber sie war nicht wirklich seine Frau.
Du bist diejenige, die Marta vorhergesehen hat.
Sie hatte die Gabe, und sie wußte, daß eines Tages eine Frau kommen würde, die Nikkis Herz heilen würde.«
Clare starrte auf die Goldmünzen hinab und spürte die Tränen in ihren Augen brennen. Hatte Marta wirklich von ihr, Clare, gewußt? Sie war so jung gewesen, als sie gestorben war, vielleicht noch jünger als Clare jetzt.
Hätte Marta ihren Sohn bei seinem Großvater gelassen, wenn sie gewußt hätte, wie kalt und hartherzig der alte Mann gewesen war? Vielleicht hatte sie angenommen, daß sich Kenricks Mutter um Nicholas kümmern würde. Aber die erste Frau des alten Earls hatte sich damals schon in diesem schrecklichen Zustand der geistigen Umnachtung befunden, der es ihr unmöglich machte, ihrem Enkel Liebe zu schenken.
»Arme Marta«, sagte Clare mit tiefem Mitgefühl.
»Es muß entsetzlich gewesen sein, zwischen ihrem eigenen Volk und dem Versprechen, das sie ihrem Mann gegeben hatte, zu wählen. Und noch schlimmer das Wissen, ihr Kind einem fremden Menschen in die Hände zu geben. Ich hoffe, sie ruht in Frieden.«
»Ja, das tut sie«, sagte Keja, als wäre es vollkommen normal, das zu wissen. »Sie ist jetzt bei Kenrick. Da du nun da bist, um dich um ihren Sohn zu kümmern, muß sie sich nicht länger um ihn sorgen.«
Clare spürte, wie sich die Härchen in ihrem Nacken aufrichteten. Als Christin glaubte sie daran, daß die Seele unsterblich war. Sie wußte auch, daß einige, wenn auch sehr wenige Menschen, die »Gabe des Zweiten Gesichts«
besaßen – die Fähigkeit, bestimmte Dinge einfach zu wissen. Es hieß, John Wesleys Mutter und seine Schwester hätten diese Gabe besessen.
Nichtdestoweniger war es unheimlich, jemanden mit einer solchen Selbstverständlichkeit und Ruhe von übernatürlichen Dingen reden zu hören. Sie lernte mehr von den Roma, als sie erwartet hatte«
»Ich liebe Nicholas, und ich werde ihm immer alles geben, was ich zu geben habe«, sagte sie ruhig. Dann fiel ihr eine Schwurformel der Roma ein, und sie fügte hinzu: »Mögest du Kerzen für mich entzünden, wenn ich es nicht tue.«
»Bater«, erwiderte Keja feierlich. »So soll es sein.«
Der Wagen kam rumpelnd zum Stehen, und Clare hörte Nicholas rufen. »Clare, wir sind zu Hause!«
Sie schloß den Lederbeutel und schob ihn in eine Innentasche. Nicholas hatte im Moment noch andere Sorgen – sie würde also lieber noch eine Weile damit warten, ihm Martas Geschichte zu erzählen. Allerdings nicht zu lange; auch wenn es schmerzlich für ihn war, alte Wunden wieder aufzureißen, so hoffte sie doch, daß ihm das Wissen, was damals wirklich geschehen war, letztendlich das Gefühl nehmen konnte, seine Mutter hätte ihn verraten.
Sie küßte die lederne Wange ihrer
Wagengefährtin. »Vielen Dank für dein
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