Ein Spiel um Macht und Liebe
Er tauchte eine Feder in die Tinte und kritzelte:
Sieben Uhr heute abend bei Caerbach. Allein.
Kenyon.
Er trocknete und versiegelte die Nachricht und gab sie dem Boten. Dieser verbeugte sich und ging.
Michael starrte blicklos an die gegenüberliegende Wand und spürte die wachsende innere Anspannung, die er stets vor einer Schlacht empfand. Der Tag der Abrechnung war also gekommen. Tief in seinem Inneren hatte er gewußt, daß sich die Konfrontation nicht vermeiden lassen würde, obwohl er sich bei Gott Mühe genug gegeben hatte.
Er blickte auf den Stapel unerledigter Arbeit auf seinem Schreibtisch, dann schob er die Papiere beiseite. Er konnte sich unmöglich auf voraussichtliche Lieferdaten für seine neuen Maschinen konzentrieren. Erschöpft erhob er sich, nahm seinen Hut und verließ das Büro. An Madocs Schreibtisch, der im nächsten Zimmer stand, blieb er stehen. »Ich mache für heute Schluß. Gibt es noch etwas, was Sie mit mir besprechen wollten?«
Madoc lehnte sich in seinem massiven Stuhl zurück und schob die Finger vor seinem Bauch ineinander. »Nein, es ist alles soweit in Ordnung.«
Kenyon nickte erleichtert, dann ging er.
Madoc tat so, als würde er sich wieder an die Arbeit machen, während seine Gedanken jedoch um diese interessante kleine Episode mit dem Boten von Aberdare kreisten. Er wartete, bis er Kenyon fortreiten sah und ließ noch zehn Minuten verstreichen. Dann betrat er das Büro seines Arbeitgebers – das Büro, das vier Jahre lang sein eigenes gewesen war. Da niemand in der Nähe war, machte er sich nicht die Mühe, seine verbitterte Miene zu verbergen.
Viele Unterlagen befanden sich in Kenyons Büro, so daß niemand im entferntesten mißtrauisch geworden wäre, wenn er Madoc darin gesehen hätte. Dieser Umstand hatte sich nun schon mehrfach als überaus praktisch erwiesen.
Nach Kenyons Fluch hatte Madoc das Geräusch von knitterndem Papier gehört, dann ein leicht klatschendes, als hätte man einen Papierball geworfen.
Madoc suchte den Boden ab und machte sehr schnell die zerknüllte Nachricht in einer Ecke des Büros aus. Er glättete das Papier, las, las noch einmal und konnte sein Glück gar nicht fassen.
Das war ja perfekt, absolut perfekt!
Gott war definitiv auf seiner Seite.
Wie gewöhnlich behielt Nicholas recht: Man konnte höchst interessante Dinge in einer Badewanne tun. Makellos sauber und vor Wonne schnurrend stieg Clare schließlich heraus. Danach machten sie ein Nickerchen und nahmen dann gemeinsam eine leichte Mahlzeit ein.
Anschließend küßte sie ihn flüchtig: »Wir sehen uns nach dem Treffen. Gehörst du zu der Sorte
^Künstler, deren Arbeit man in der
Entwicklungsphase nicht begutachten darf, oder bekomme ich die erste Version deines Liedes zu hören?«
»Ich ziehe es vor, das Stück erst richtig auszuarbeiten.« Sein Blick hielt den ihren einen kurzen Moment fest. Dann tätschelte er ihr Hinterteil. »Nun verschwinde schon, oder du kommst zu spät.«
Sie setzte ihre Haube auf und ging zu den Ställen, wo ihr Ponywagen wartete. Sie war schon fast ums Haus herumgefahren, als ihr einfiel, daß sie Owen versprochen hatte, ihm ein paar Bücher mitzubringen. Es würde Wochen dauern, bevor er wieder zur Arbeit zurückkehren konnte, und er wollte die Zeit sinnvoll nutzen. Zwar hatte sie ihn am Tag ihrer Hochzeit mit dicken Bänden versorgt, aber wie sie Owen kannte, hatte er diese schon längst gelesen.
Sie hielt den Wagen vor dem Haus an und schlang die Zügel um eine der granitenen Urnen. Dann huschte sie die Treppe hinauf und ging direkt in die Bibliothek.
Keine Spur von Nicholas; er hatte sich wohl schon ins Musikzimmer zurückgezogen.
Kurz darauf hatte sie die Bücher ausgesucht und wollte schon gehen, als ein Lichtblitz ihren Blick auf Nicholas’ Schreibtisch zog. Neugierig trat sie näher und entdeckte, daß die Sonnenstrahlen, die durch das Fenster drangen, von einem Klumpen Quarz, um den sich Silberfäden wanden, zurückgeworfen wurden. Sie nahm den Klumpen auf und drehte ihn in ihren Händen. Dies war also das berühmte Muster des Drahtsilbers, das unter solch einem Risiko besorgt und letztendlich doch nicht gebraucht worden war. Es war soviel geschehen in den letzten zwei Wochen, daß sie gar nicht daran gedacht hatte, es sich anzusehen.
Nun, einen netten Briefbeschwerer gab der Klumpen allemal ab.
Sie wollte ihn gerade wieder hinlegen, als ihr Blick auf den Brief fiel, der darunter gelegen hatte.
Sieben Uhr heute abend bei Caerbach.
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