Ein Spiel um Macht und Liebe
schlechte Gesellschaft gerät.« Seine Mundwinkel zogen sich nach oben.
»Da Sie mich sowieso schon am Hals haben, kann ich mir nicht vorstellen, daß eine harmlose Billardpartie die Lage noch verschlimmern könnte.«
Sie hörte sich selbst kichern, als er einen Kerzenleuchter nahm und ihr vorausging. Plötzlich wurde ihr schmerzlich bewußt, daß die wahre Gefahr nicht in schlechter Gesellschaft, sondern im gemeinsamen Lachen lag. Es würde ihr schwerfallen, darauf verzichten zu müssen, wenn sie Aberdare wieder verließ.
Kapitel 6
DAS BILLARDZIMMER LAG ganz am anderen Ende des Hauses. Während Clare die Kerzen in dem Leuchter an der Decke anzündete, entfachte Nicholas ein Holzfeuer, denn der Frühlingsabend war recht frisch. Anschließend zog er das samtene Tuch vom Tisch, das die Platte schützen sollte. Als der Staub aufflog, nieste Clare herzhaft.
»Tut mir leid.« Er faltete das Tuch zusammen und ließ es in eine Ecke fallen. »Wieder eine sträfliche Vernachlässigung der Haushaltspflicht.«
»Langsam glaube ich, meine Rolle als Haushälterin wird zuviel Zeit in Anspruch nehmen, als daß ich noch die Mätresse spielen könnte.«
»Ich kann gut mit Staub leben«, sagte er eilig.
Clares Lippen verzogen sich erneut zu dem unwillkürlichen, hastig unterdrückten Lächeln, das Nicholas so faszinierte. Ihr dieses Lächeln zu entlocken, war, als versuchte man, ein scheues Fohlen mit einer Karotte zu ködern; Geduld war der Schlüssel.
Er nahm einen Satz elfenbeinerner Kugeln aus einem Schrank und plazierte sie auf dem grünen Bezug des Tisches. »Wollen Sie den
keulenförmigen Billardstock oder ein Queue?«
»Was ist denn der Unterschied?«
Er reichte ihr den Stock, der eine breite, abgeflachte Spitze hatte. »Der Ball wird eher geschoben – wie beim Beilkespiel, falls Sie das jemals gespielt haben sollten. Man muß sich nicht vornüber beugen.« Er setzte den Stock an den Stoßball und schickte die Kugel in eine Ecktasche, um es ihr zu demonstrieren.
»Und das Queue?«
Er zog seinen Rock aus, um mehr
Bewegungsfreiheit zu bekommen, beugte sich dann vor, visierte eine Kugel an und holte aus.
Der Spielball stieß eine rote Kugel in eine Tasche, prallte dann an eine zweite Kugel und versenkte diese ebenfalls. »Das Queue erlaubt mehr Flexibilität und Kontrolle über den Stoßball. Doch ich könnte mir vorstellen, daß Sie den anderen Stock bevorzugen… er ist moralischer!«
Clare zog ihre dunklen Brauen hoch. »Wie kann ein Stück Holz moralisch sein?«
»Er erspart einer Dame, sich zu bücken und dadurch den verderbten Mannsbildern, die möglicherweise anwesend sind, ihre entzückenden Fesseln zeigen zu müssen«, erklärte er.
Ihr volle Lippen bebten, und sie preßte sie fest aufeinander.
Er sah sie amüsiert an. »Warum erlauben Sie sich nicht endlich, offen zu lächeln? Es muß doch eine gewaltige Anstrengung sein, in meiner Gegenwart ständig eine ernste Miene beizubehalten.«
Seine kreuzbrave, fromme Lehrerin kicherte. Er hätte es nicht für möglich gehalten, wenn er es nicht mit eigenen Ohren gehört hätte.
»Sie haben recht«, sagte sie ein wenig kläglich.
»Sie haben keinen seriösen Knochen in Ihrem Leib, und es fällt mir sehr schwer, meine Würde aufrecht zu halten. Aber ich gebe mein Bestes.«
Sie wog beide Billardstöcke in der Hand. »Ich denke, es macht keinen Unterschied, welchen von beiden ich benutze, da ich, wie ich befürchte, einem absoluten Könner in die Hände gefallen bin.«
Er rollte eine rote Kugel über den grünen Bezug auf eines der Löcher zu. Mitten im Lauf hoppelte die Kugel über eine Unebenheit und wurde nach rechts abgelenkt. »Der Tisch ist so verzogen, daß Geschick nicht allzu viel ausmacht. Ich bin gespannt, wie sich eine Schieferoberfläche auswirken wird.«
»Wie sind die Regeln bei diesem Spiel?«
»Es gibt eine ganze Reihe unterschiedlicher Spiele, und man kann sich je nach Lust und Laune immer neue ausdenken. Wir fangen am besten mit etwas Einfachem an.« Er deutete auf den Tisch. »Ich habe sechs rote und sechs blaue Kugeln aufgelegt. Die weiße ist der Stoßball, mit dem man die anderen Kugeln in die Taschen befördert, der aber selbst nicht versenkt werden darf. Jeder von uns bekommt eine Farbe. Wenn Sie Rot nehmen, bekommen Sie einen Punkt für jede, die Sie einlochen. Wenn Sie aus Versehen eine blaue versenken, wird Ihnen wieder ein Punkt abgezogen. Derjenige, der an der Reihe ist, spielt so lange weiter, wie er Punkte macht.«
Clare
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