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Ein Spiel um Macht und Liebe

Ein Spiel um Macht und Liebe

Titel: Ein Spiel um Macht und Liebe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mary Jo Putney
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Schweigen kam Clare zu dem Schluß, daß ihr Nicholas’ gelungene Imitation einer Ziegelmauer noch unangenehmer war, als sein plötzlicher Zornesausbruch kurz zuvor. Sie unterdrückte einen Seufzer, schob die anderen Papiere wieder in die Bibel und stellte den Band zurück ins Regal. Er ignorierte sie mit steinerner Miene und stocherte mit einem Schürhaken in der Glut herum. »Morgen ist Sonntag, und ich möchte in die Kirche, also gehe ich jetzt besser schlafen.«
    Sie hatte dies nur aus Höflichkeit gesagt, nicht weil sie glaubte, Nicholas würde es zur Kenntnis nehmen. Doch er blickte auf.
    »Schade, daß ich Sie heute nicht mehr küssen kann«, sagte er. »Zu dumm von mir, meine ganze Ration in der Mine aufzubrauchen.«
    Sie schaute ihn überrascht an. In seiner Miene war kein Zorn mehr zu entdecken – statt dessen etwas, das Einsamkeit und Verzweiflung gefährlich nahekam. Nur Gott allein wußte, warum die Dokumente ihn so in Aufruhr versetzt hatten, aber Clare konnte es nicht ertragen, ihn so leiden zu sehen. Mit einer Kühnheit, die vier Tage zuvor noch undenkbar gewesen wäre, durchquerte sie das Zimmer, blieb vor ihm stehen, legte ihm die Hände auf die Schultern und sagte schüchtern: »Sie haben keinen Kuß mehr gut, aber ich kann Sie doch küssen, oder?«
    Ihre Blicke verschränkten sich ineinander, und sie starrte in schwarze, gequälte Augen. »Sie können mich küssen, wann immer Sie wollen«, antwortete er heiser.
    Sie spürte, wie sich seine Muskeln anspannten, doch er hielt still und wartete darauf, daß sie den ersten Schritt machte. Sie stellte sich auf die Zehenspitzen und legte ihre Lippen auf seine.
    Seine Arme schlangen sich mit
    unmißverständlicher Begierde um sie. »Ah, Gott, es fühlt sich so gut an.«
    Ihre Münder paarten sich tief und hitzig. Sie überließ ihm nun die Initiative, und was als freundlicher Gute-Nacht-Kuß gedacht war, entwickelte sich zu etwas ganz anderem.
    In der Grube war es dunkel gewesen, als sie sich geküßt hatten, so daß ihr die schockierende Intimität erspart geblieben war, ihm in die Augen sehen zu müssen. Sein durchdringender Blick machte sie verlegen, und sie schloß rasch die Lider, nur um festzustellen, daß ihre anderen Sinne sich zu schärfen schienen, wenn das Sehen sie nicht mehr ablenkte. Das Prasseln des Regens am Fenster, die feuchte, samtige Rauheit seiner Zunge. Ein scharfer Geruch, der aus Rauch, Seife und Nicholas bestand; sein Atem, rauh und begierig – aber vielleicht war es auch ihr eigener Atem. Das Knistern und Poltern der Kohlen, die durch das Gitter fielen; das zarte Reiben von Händen, die über ihren Rücken strichen.
    Und das Geräusch einer sich öffnenden Tür.
    Augenblicklich war sie wieder in der Realität. Sie nahm ihre Lippen von seinen und blickte über seine Schulter. Im Türrahmen stand eine der neuen Zofen, Tegwen Elias, ein Gemeindemitglied mit hoher Moral und loser Zunge.
    Die zwei Frauen starrten einander stumm an.
    Das ungläubige Entsetzen in Tegwens Miene machte Clare mit übelkeiterregender Heftigkeit deutlich, wie verderbt ihr Verhalten war. Was sie tat, war falsch, und an dieser Tatsache gab es nichts zu rütteln.
    In diesem Augenblick löste sich die schockierte Erstarrung der Zofe. Sie wich heftig zurück und schloß die Tür.
    Nicholas, der sich nur auf Clare konzentriert hatte, war das Zwischenspiel entgangen. »Wenn Sie wieder zu Atem gekommen sind«, sagte er und strich ihr verführerisch über die Hüften,
    »kann ich Sie dann vielleicht zu einem weiteren Kuß überreden?«
    Sie blickte zu ihm hoch, einen Augenblick hin und her gerissen zwischen dem, was sie in seinen Armen erwartete, und dem, was sie in Tegwens Augen gesehen hatte. »Nein. Nein, ich muß gehen«, sagte sie unsicher.
    Er hob die Hand, wie um sie aufzuhalten, aber sie rauschte an ihm vorbei und flüchtete aus der Bibliothek.
    Wäre sie doch nur zehn Minuten früher gegangen.
    Das Zimmer war so leer ohne Clare. Nicholas starrte ins Feuer und fragte sich, ob ihre Vernunft jemals aufhören würde, gegen die Reaktionen ihres Körpers anzukämpfen. Jedesmal, wenn sie zusammenkamen, war es dasselbe. Zuerst war sie scheu und schien Zweifel zu haben. Dann begann sie, auf ihn zu reagieren und sich ihm wie eine Blume in der Dämmerung zu öffnen. Und am Ende fiel ihr wieder mit vernichtender Plötzlichkeit ein, daß sie nicht genießen durfte, was doch so ausgesprochen natürlich war.
    In bitterer Enttäuschung rammte er seine Faust auf den

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