Ein Spiel um Macht und Liebe
Zeitvertreib. Und obwohl sie eben durch ihre eigene Leidenschaft unfähig gewesen war, dies wirklich wahrzunehmen und zu schätzen, erinnerte sie sich nun an seine Begierde, an die Art, wie er zu beben begonnen hatte, als sie seine Berührungen erwidert hatte.
Doch die Tatsache, daß auch sie etwas in ihm berührte, konnte ihr nicht ihre Sicherheit garantieren. Es war eher wahrscheinlich, daß sie beide gemeinsam in Flammen aufgehen würden.
Sie sprach ihre Schlußfolgerung laut aus. »Wenn ich jetzt gehe, sollte es mir noch gelingen, meinen brüchigen Ruf wieder zu leimen. Zu bleiben bedeutet, mein ganzes bisheriges Leben aufzugeben. Mich wissentlich zu ruinieren.«
»Es ist nicht wahr, daß Leidenschaft immer Ruin zur Folge hat. Wenn körperliche Liebe Freude bereitet und niemandem wehtut, was kann daran falsch sein?«
»Ich vermute, daß Männer dies seit dem Sündenfall immer schon zu unschuldigen Jungfrauen gesagt haben«, erwiderte sie trocken.
»Und Frauen, die dumm genug sind, es zu glauben, müssen ihre Kinder in der Gosse zur Welt bringen und im Armenhaus aufziehen. Wer behauptet bitte, daß niemandem wehgetan wird?«
»Es ist sicher falsch, eine ungewollte Schwangerschaft zu riskieren, nur um seinen Spaß zu bekommen – ein Verbrechen der Mutter und dem Kind gegenüber«, stimmte er ihr zu.
»Aber es gibt recht wirksame Methoden, das zu verhüten.«
»Interessant, sofern es stimmt«, sagte sie, »aber selbst wenn kein Risiko besteht, darf man sich diesem Akt nicht einfach hingeben.«
Er schüttelte den Kopf. »Ich denke, wenn allgemein bekannt wäre, daß man
Schwangerschaften verhindern kann, dann würden sich die Ansichten über das, was man darf und was nicht, sehr rasch ändern. Unsere momentane Moral bezüglich der Sexualität ist aus der Notwendigkeit entstanden, Frauen, Kinder und die Gesellschaft vor der Folgen unbedachter körperlicher Liebe zu schützen. Und wenn es keine solchen negativen Folgen gäbe – wenn Männer und Frauen frei entscheiden könnten, ob sie sich aus purem Vergnügen, nicht aus moralischen Gründen, hingeben dürfen oder eben nicht – , dann würde unsere Welt und unsere Weltanschauung sehr verschieden von der jetzigen sein.«
»Aber wäre die Welt dann eine bessere? Vielleicht für Männer, die ihre Gelüste befriedigen und dann mit leichtem Herzen und reinem Gewissen verschwinden dürften. Ich weiß nicht, ob Frauen genauso achtlos sein könnten.«
»Einige durchaus, Clare«, sagte er mit einer seltsam gepreßten Stimme. »Glauben Sie mir, es gibt Frauen, die genauso herzlos und unbekümmert sind wie jeder Mann.«
»Ich bin sicher, daß Sie eine ganze Reihe Frauen dieser Sorte kennengelernt haben.« Sie seufzte verbittert. »Sie sind wirklich ein Heide, Nicholas.
Ein unmoralischer Teufel mit versilberter Zunge, der die Sünde als etwas Erstrebenswertes verkaufen kann. Sie glauben, daß ich mich irgendwann Ihrem Charme ergebe, wenn ich nur lange genug mit Ihnen zusammen bin.«
Er küßte sie leicht auf die Stirn. »Das ist meine innigste Hoffnung.«
Ihr Lachen klang leicht verzweifelt und auch ein wenig verärgert. Er gab sich wirklich Mühe, es ihr so schwer wie möglich zu machen.
Aber nun war es Zeit, ihr Vorgehen genau festzulegen. Sie spielte mit einem seiner Knöpfe, während sie ihre Gedanken ordnete.
Erstens: Sie mußte um der Leute willen bleiben, die von der Hilfe des Earls profitieren würden; ihr Pflichtgefühl ließ einfach keine andere Möglichkeit zu. Da dies so war, mußte sie sich also nach Kräften bemühen, die nächsten drei Monate so unbeschadet wie möglich durchzustehen. Grimmig akzeptierte sie, daß sie sich in dieser Zeit zahlreicher kleiner Verstöße gegen die Moral schuldig machen würde. Sie würde beten müssen, daß der Verzicht auf schlimmere Sünden etwas war, das die kleineren wieder aufwog.
Plötzlich schoß ihr ein Gedanke durch den Kopf.
Nicholas war ein Mann, der daran gewöhnt war, seine Gelüste rasch zu befriedigen. Bald würde er von schlichten Küssen genug haben. Wenn er jedoch von ihr immer wieder abgewiesen wurde, wenn sie sich permanent weigerte, ihm mehr zu geben, dann würde ihm sicher irgendwann die Geduld ausgehen. Vielleicht würde er sie dann bitten zu gehen, sich jedoch immer noch verpflichtet fühlen, seinen Teil der Abmachung zu erfüllen.
Fasziniert spielte sie diesen Gedanken im Geiste durch. Um damit Erfolg zu haben, müßte sie lernen, wie sie seine Begierde anfachen konnte, während sie
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