Ein Spiel um Macht und Liebe
selbst beherrscht und kontrolliert genug blieb, um immer wieder nein zu sagen.
Aber das Spiel mit der Sinnlichkeit war sehr gefährlich, und er war darin weitaus erfahrener als sie. Doch vielleicht ließ sich dieser Vorteil dadurch ausgleichen, daß die Leidenschaft der Männer stärker war als die der Frauen. Also faßte sie einen Entschluß. »Mein Gewissen läßt nicht zu, daß ich gehe, wenn zu bleiben bedeutet, daß dadurch so viel Gutes erzeugt wird. Aber ich warne Sie – Ihr Ziel ist Verführung. Meins aber, Sie davon zu überzeugen, daß ich den ganzen Aufwand nicht wert bin.«
Er stieß erleichtert den Atem aus, dann schenkte er ihr ein atemberaubendes Lächeln. »Ich bin sehr froh, daß Sie bleiben. Ich bin gespannt, was Sie unternehmen wollen, um Ihr Ziel zu erreichen, aber ich fürchte, Sie werden nicht viel Erfolg haben.«
»Wir werden sehen, Mylord.« Als sie in seine dunklen Augen blickte, spürte sie, wie sich eine boshafte freudige Erwartung in ihr regte. Nun war sie nicht länger das hilflose Opfer, das seiner größeren Erfahrung und Kraft unterlegen war.
Ihre Macht über ihn war begrenzt, aber bei Gott, sie wurde sie so gut, wie es ihr möglich war, nutzen.
Kapitel 13
CLARE SPÄHTE AUS dem Fenster ihrer
Reisekutsche und nahm mit aufgerissenen Augen den Anblick in sich auf, den London in der Dämmerung bot. »Meine Güte. Daß es so viele Menschen auf der Welt gibt«, brachte sie atemlos hervor.
Nicholas lachte in sich hinein. Er saß neben ihr, lehnte lässig an den dicken Polstern und hatte seine Arme vor der Brust verschränkt. »Die Landmaus kommt in die Stadt.«
Sie sah ihn in gespielter Verärgerung finster an.
»Wahrscheinlich waren Sie absolut unbeeindruckt, als Sie zum ersten Mal nach London kamen!«
»Ganz und gar nicht«, erwiderte er fröhlich. »Ich war siebzehn und derart gefesselt, daß ich fast aus dem Kutschenfenster gefallen wäre. Man kann die Stadt lieben oder hassen, aber kalt läßt sie niemanden. London ist unglaublich vielseitig, und ich habe vor, Ihnen einiges davon zu zeigen.«
Die Kutsche machte einen Schlenker, und der Fahrer eines anderen Gefährts warf ihrem Mann auf dem Bock einen Schwall schmutziger Schimpfwörter an den Kopf. Clare lauschte und zog irritiert die Brauen zusammen. »Spricht der Kutscher eine fremde Sprache? Ich kann ihn gar nicht verstehen.«
»Er spricht eine besonders grauenhafte Form von Cockney, dem Ostlondoner Dialekt. Außerdem benutzt er Wörter, die wohlerzogene junge Damen nicht kennen dürfen«, sagte Nicholas.
Sie warf ihm einen spitzbübischen Blick zu.
»Könnten Sie mir denn seine Bemerkungen übersetzen?«
Er zog die Brauen hoch. »Ich habe zwar das starke Verlangen, Sie zu verderben, aber doch nicht durch eine schmuddelige Sprache!«
Sie lächelte und sah wieder aus dem Fenster. Die lange Reise von Wales bis London war anstrengend gewesen, aber sie hatte die Fahrt genossen. Seit das Geschehen in der Burgruine sie gezwungen hatte, sich in ihre Situation zu fügen, konnte sie mit Nicholas entspannter umgehen, und ihre Beziehung war nun vor allem durch viel Neckerei und gutmütigen Spott gekennzeichnet.
Noch besser: Sie hatte gelernt, daß es möglich war, seine Liebkosungen zu genießen, ohne sich davon überwältigen zu lassen. Der tägliche Kuß war zu einem angenehmen Zwischenspiel geworden, das so lange andauerte, bis Nicholas’
Hände unbotmäßig zu wandern begannen. Dann rief ihn Clare zur Ordnung, und er gehorchte jedesmal. Sie spürte, daß er sich genau wie sie zurückhielt, die Küsse genoß, ohne sich jedoch zu erlauben, von der Begierde davongetragen zu werden.
Aber das konnte nicht lange so weitergehen; über kurz oder lang würde Nicholas alles an Verführungskunst aufbieten, um sie
umzustimmen. Aber wenn dieser Tag kam, würde sie sicher die Kraft aufbringen können, ihm zu widerstehen, denn schon jetzt fühlte sie sich jeden Tag stärker, ja, sie fand, sie war auf dem besten Wege, ihm ebenbürtig zu werden.
Zumindest innerhalb der engen Grenzen ihrer merkwürdigen Beziehung.
Und nun wollte sie vor allem erst einmal London genießen.
Inzwischen fuhren sie durch Straßen, die sauberer und ruhiger waren, und schließlich kam die Kutsche ruckelnd zum Stehen. Der Kutscher öffnete die Tür und ließ das Treppchen hinunter, und Nicholas half Clare hinaus. Es war schon fast dunkel, und alles, was sie vom Aberdare-Haus sehen konnte, war eine breite klassizistische Fassade. »Braucht dieser Besitz
Weitere Kostenlose Bücher