Ein Spion in erlauchter Gesellschaft (German Edition)
zu ihr, »können wir … können Sie über irgendetwas reden? Ganz gleich worüber.«
»Ja, warum nicht?«, erwiderte er gleichmütig. »Worüber wünschen Sie denn zu reden?«
»Sie könnten … Sie könnten mir verraten, wonach wir eigentlich suchen«, wagte sie sich in der Hoffnung vor, dass damit ihre Gedanken – und seine – beschäftigt waren.
Marcus schien es sich zu überlegen. Er ging zur nächsten Box und fing dort an, das Heu zu durchwühlen, bevor er antwortete.
»Beim Whitford-Bankett haben sie erst ein Tohuwabohu angezettelt und dann, nachdem sämtliche Gäste in Panik geraten waren, haben sie den Diebstahl begangen.«
»Ich erinnere mich gut daran«, erwiderte Phillippa und stieß mit ihrem zierlichen Tanzschuh ein wenig Heu zur Seite. Selbst in den besten Ställen konnte es übel riechen. »Ihre Pistolen wurden gestohlen.«
»Nicht nur das«, korrigierte Marcus, »sondern auch Unterlagen. Dokumente. Entwürfe des neuen Typs eines Bolzenschussgeräts. Whitford war noch dabei, den Prototyp zu bauen. Der Entwurf sollte an die Armee Seiner Majestät verkauft werden, was den Whitfords eine Menge Geld eingebracht hätte. Ganz zu schweigen von den Vorteilen Britanniens auf dem Schlachtfeld.«
»Und was hat das mit dem zu tun, wonach wir suchen?«, fragte Phillippa.
Marcus hob einen Heuballen an und schaute nach, ob darunter etwas versteckt worden war. Nichts. »Schusswaffen sind Whitfords Freude und sein ganzer Stolz. Von seiner ganz besonderen Art des Patriotismus ganz zu schweigen. Und was ist der Stolz der Hampshires?«
Sie musste keine Sekunde nachdenken. »Die Pferde. Während des Hundert-Tage-Krieges hat er die Hälfte seines Bestandes zur Verfügung gestellt.« Phillippa stöhnte erschrocken auf, sodass Marcus sie anschaute. »Glauben Sie, dass Laurent die Pferde stehlen will?«
Marcus schüttelte den Kopf. »Nein, das würde wohl selbst Laurent überfordern. Aber er könnte Hampshires Pferdezucht vernichten. Ich glaube, in diesem Fall müssten die Ablenkung selbst und ihr Zweck in einem einzigen Schlag aufeinandertreffen.«
Phillippa nickte, sie hatte begriffen. »Wir suchen also nach … nach einer Einrichtung, die ein Feuer entfachen kann? Nach einem Brandsatz, nicht wahr?«, fragte sie mit einem Hauch Ängstlichkeit in der Stimme.
Marcus nickte. »Es ist nur eine Vermutung. In der Vergangenheit hat Laurent mit Chemikalien experimentiert. Ich selbst habe zwar auch ein paar Versuche gemacht, aber ein Wissenschaftler bin ich nicht.«
Phillippa spürte, wie ihr das Blut aus den Wangen wich. Ihr Herz pochte plötzlich doppelt so schnell. Panisch. Ihre Knie gaben nach, und sie setzte sich auf den Heustapel, den Marcus gerade abgelegt hatte.
Offenbar hatte er ihre Blässe und ihre unregelmäßige Atmung bemerkt, denn er kniete sich vor sie und ergriff sie bei den Schultern, achtete jedoch auf eine Armlänge Abstand. »Phillippa, ich könnte mich auch irren … aber falls nicht … ich bleibe hier und suche weiter. Sie kehren zum Haus zurück. Sagen Sie Byrne, wo ich bin … «
Sie schüttelte den Kopf. »Ich lasse Sie nicht allein.«
»Phillippa … «
»Nein, Marcus. Ich kann nicht. Sie könnten sterben … «
Er hätte streiten können. Er hätte drohen können, sie umschmeicheln, sie durchschütteln. Stattdessen starrte er … auf ihre Knie.
Ungewöhnlich. Selbst für Marcus. Phillippa wollte ihn gerade fragen, ob sich in ihrem Kleid auf Kniehöhe ein Riss befand, als er nach ihren Knien griff.
»Marcus, was … « Ihre unvollendete Frage wurde beendet, als er ihre Beine energisch zur Seite drückte und den schmalen Spalt in dem Heuballen untersuchte, auf dem sie saß.
Phillippa beobachtete Marcus, als er den Arm beinahe bis zum Ellbogen ins Heu schob. Sie bückte sich, hockte sich neben ihn, als er herumwühlte und etwas herauszog …
Nun, Phillippa hatte keine Ahnung, worum es sich handelte.
Es sah aus wie die Innereien einer Uhr und war so klein, dass es mühelos in Marcus’ Hand passte. Damit verbunden war eine Phiole, die ein gelbliches Stückchen Wachs zu enthalten schien; ein winziger Hammer wurde von einem straff gespanntem Draht in seiner Position gehalten. Das ganze Ding tickte, zählte die Zeit herunter.
»Ich glaube … das ist Phosphor«, sagte Marcus und untersuchte den Apparat aus der Nähe.
»Das stinkende Zeug, das Feuerwerk leuchten lässt?«, fragte Phillippa, deren Frage mit einem raschen Nicken beantwortet wurde.
»Es reagiert mit Luft und brennt in
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