Ein Spion in erlauchter Gesellschaft (German Edition)
Ställen abspielte, oder sie nutzten es zu ihrem Vorteil. Das Kichern und atemlose Lachen der Paare klang gespenstisch hinter den hohen Hecken und überdeckte die Geräusche, die die Bewegungen des Fremden machten. Für einen Moment brachte das Marcus aus seiner Konzentration. Doch dann drängte er weiter, folgte dem Fliehenden, folgte ihm weiter und weiter …
Gerade als er um die nächste Ecke biegen wollte, hielt Phillippa ihn fest und zog ihn in die andere Richtung.
»Er ist hier entlang«, wisperte sie.
»Nein, hier entlang«, wisperte er zurück.
»Von da drüben sind wir doch gerade erst gekommen. Wir haben uns in einem großen Kreis gedreht. An diese Hecke kann ich mich genau erinnern!«
»Aber die Hecken sind sich doch alle gleich!«, stritt er ab, und dann: »Bist du dir sicher?«
»Vier Mal links bringt uns dahin zurück, wo wir angefangen haben«, erwiderte sie verzweifelt, »wenn er versucht, zum Ausgang zu gelangen, muss er hier entlanggegangen sein.«
Marcus blickte nach rechts, dann nach links. Und ausnahmsweise erlaubte er Phillippa, die Führung zu übernehmen.
Sie bewegte sich mit großer Sicherheit durch den Irrgarten; es war, als besäße sie das Wissen eines Menschen, der die Geheimnisse des Gartens während früherer Hausgesellschaften der Hampshires bereits erkundet hatte. Sie bog nach rechts, dann noch einmal nach rechts, und führte ihn anschließend einen geraden Weg entlang genau dorthin, wo das Herz des Gartens liegen musste, als Marcus am Ende des Weges den Fremden erkennen konnte. Und in dessen Hand glitzerte Metall.
Marcus zog Phillippa zu sich heran, stieß sie in die Hecke und schützte sie mit seinem Körper, noch bevor der Schuss ertönte. Er spürte, wie sie unter ihm erstarrte. Die Zeit verstrich, während sie am Boden verharrten.
Sie mussten hier weg.
Sofort.
Sie sprangen auf, rannten so schnell sie konnten in die Richtung, aus der sie gekommen waren, als auch schon der zweite Schuss durch die Luft hallte.
Im Sprint bogen sie um die Ecke, um die nächste, rannten ihren Weg zurück. Diesmal war Phillippa sogar schneller als Marcus, weil die Angst sie antrieb und der Schmerz ihn langsamer werden ließ. Aber nie ließ sie seine Hand los. Bis sie bei der nächsten Biegung mit jemandem zusammenstieß.
»Umpf!«, schrie Phillippa, als sie zusammen mit der Lady zu Boden stürzte.
»Hey!«, erwiderte eine vertraute Stimme, und als die Frau aufschaute, erkannte Marcus, dass es sich um Lady Jane Cummings handelte.
Die beiden Ladys erhoben sich wieder. Lady Jane blickte Phillippa verächtlich an. »Was erlauben Sie sich eigentlich?«, stieß Lady Jane schnippisch aus, »wie können Sie es wagen, mich anzurempeln! Und überhaupt, was treiben Sie hier mit Mr. Worth? Welches Spiel … «
Aber ihre Anschuldigungen blieben unausgesprochen, denn hinter ihnen gellte der nächste Schuss.
»Runter, Jane!«, rief Phillippa und zerrte ihre Erzfeindin zu Boden. Marcus ging in Deckung. Die Kugel pfiff über ihre Köpfe, drang in die Hecke und blieb dort stecken.
»Weiter!«, rief Marcus, ergriff Phillippas Hand und zerrte sowohl sie als auch Lady Jane um die Ecke.
»Jemand schießt auf dich!«, schrie Lady Jane, kaum dass sich alle wieder erhoben hatten.
»Das wissen wir!«, erwiderte Phillippa.
»Phillippa, wer schießt auf dich?« Ihre Stimme klang nahezu hysterisch. Marcus merkte, wie seine Kräfte ihn langsam verließen. Außerdem befanden sie sich an einem Ort, den er nicht kannte. Irgendwo … verloren …
Phillippa übernahm. Sie schnappte sich Lady Janes Arm. »Wir müssen hier raus. Kennst du den Weg nach draußen?«
Jane war blass und verängstigt, nickte aber sofort. »Ich bin ihn schon drei Mal gegangen. Wir müssen … hier entlang.« Mit raschen Schritten machte sie sich auf den Weg. Marcus und Phillippa folgten.
Die beiden Frauen führten Marcus. Rasche Biegungen, panische Blicke über die Schulter. Von Verfolgern zu Verfolgten geworden, liefen sie ihrem Ziel entgegen. Endlich sah Marcus die Lichter des Hauses.
Beinahe hätte er vor Erleichterung geweint, als sie den Ausgang des Irrgartens erreicht hatten und sich am anderen Ende von Lady Hampshires Springbrunnengarten wiederfanden. Sie wurden von dem Anblick einer Menschenmenge begrüßt, die das Feuerwerk beobachtete, das in bestechenden Farben und Formen am Himmel barst und schließlich in einem hellgelben Nebel über den Ställen verglühte.
Sie schlugen den Weg dorthin ein – ihr Feind würde nicht in die
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