Ein Spion in erlauchter Gesellschaft (German Edition)
ins Freie.
Während Marcus noch tief durchatmete, um den chemisch verseuchten Qualm aus seinen Lungen zu bekommen, rannte Phillippa zurück in den Stall.
»Halt!«, schrie Marcus und versuchte sie einzuholen, »was machst du da?«
»Die Pferde! Wir müssen die Pferde rausholen!«, rief sie, als er bei ihr war und sie an der Taille packte.
»Du kannst da nicht mehr rein.« Er hielt sie fest, als sie versuchte, sich aus seinem Griff zu befreien. »Haben die Boxen Türen, die direkt nach draußen führen?«
Phillippa nickte unter Tränen. Sie liefen zur Außenmauer des Gebäudes, aus dem inzwischen giftiger Rauch und helles Licht drangen.
Als Marcus den Riegel der ersten Boxentür zurückschob und die halb wahnsinnig gewordene Stute herausließ, wurde Phillippa klar, dass sie es allein nicht schaffen würden, alle Tiere zu befreien. »Hilfe! Feuer!«, schrie sie in die Nacht hinein, »die Ställe brennen! Hilfe! Feuer!«
Nichts regte sich. Bis plötzlich von der anderen Seite der Anhöhe ein Antwortschrei ertönte: »Wir kommen! Wir kommen!« Ein Dutzend Burschen im Alter von acht bis fünfzehn Jahren rannte über den Hügel.
Der älteste Junge, der wohl den Rang des ersten Stallburschen bekleidete, erteilte die Befehle. »Billy, Frankie, ihr lauft zum Haus und holt Hilfe!« Die verbleibenden zehn Jungen verteilten sich auf jede Seite des Gebäudes, öffneten die Außenseiten der Boxen und befreiten die verängstigten und auskeilenden Tiere.
Noch während sie arbeiteten, schlossen sich ihnen mehr und mehr Leute an, die durch die zu den Ställen rennenden Burschen und Phillippas Schreie alarmiert worden waren. Einige halfen mit den Boxentüren, andere schnappten sich Eimer und schöpften Wasser aus den Fässern, die Phillippa als Versteck gedient hatten, und versuchten, die Flammen zu löschen.
Marcus arbeitete sich so schnell wie möglich von einer Box zur nächsten vor, als Phillippas atemlose Stimme seine Aufmerksamkeit auf sich zog.
»Marcus«, sagte sie und zupfte ihn am Ärmel, »ich glaube, das ist der Mann, den ich gesehen habe. Der Fremde.«
Sie deutete auf eine Silhouette oben auf der Anhöhe; eine Gestalt stand ungefähr dreißig Meter entfernt neben einem Baum und beobachtete das Chaos. Unmöglich, in dieser Entfernung seine Gesichtszüge auszumachen, aber die gelegentlichen Blitze des Feuerwerks über ihren Köpfen und die brennenden Ställe reichten aus, um das helle Haar zu erkennen.
Der Fremde musste bemerkt haben, dass er entdeckt worden war, denn er schoss davon wie der Blitz und verschwand hinter der Anhöhe.
Marcus zögerte nur für den Bruchteil einer Sekunde, dann nahm er die Verfolgung des Mannes auf.
Der Schrei »Warte auf mich!« hallte ihm nach, und Phillippa schloss sich der Jagd an.
Wenn Phillippa es darauf anlegte, konnte sie sich überraschend schnell bewegen. Marcus war jedoch schneller, und ihm stand nicht der Sinn danach, ihrem Befehl zu gehorchen. Er hatte vor, den Mann, der so unglaublich schnell über die Wiesen davonrannte, zu fangen und zum Haus zu bringen.
Selbst im Dunkeln war es einfach, den Kerl im Blick zu behalten, denn er war der Einzige, der sich von den Ställen wegbewegte. Alle anderen, an denen sie vorbeikamen, rannten in Richtung Stallgebäude. Mit bemerkenswerter Geschwindigkeit machte Marcus Boden wett. Der Abstand war beinahe geschlossen, als der Mann eine scharfe Wendung machte und in Hampshires berühmtem Irrgarten verschwand.
»Verdammt!«, spie Marcus aus, als Phillippa atemlos hinter ihm auftauchte. Der Irrgarten bestand aus einer etwa vier Meter hohen Buchsbaumhecke und besaß drei Ein- und Ausgänge; es war unmöglich, an jedem eine Wache zu postieren. Wenn sie ihm auf der Spur bleiben wollten, mussten sie ihm in den Irrgarten folgen; das war die beste und vielleicht auch die einzige Möglichkeit, ihn zu fangen. »Komm«, sagte er und ergriff Phillippas Hand, als sie in die dunklen Gänge eintauchten.
Wie er es bei dem Fremden gesehen hatte, wandte Marcus sich nach links. Aber danach konnte er sich nur noch auf seinen Instinkt verlassen. Rechts, links, wieder rechts. Er war sich sicher, dass sie dem Fremden auf den Fersen waren. Er folgte dem Geräusch scharrender Schritte und konzentrierte sich auf die keuchenden Atemstöße, die er unter dem fortdauernden Feuerwerk hören konnte.
Sie kamen an einigen Paaren vorbei, die sich im Labyrinth amüsierten und Versteck spielten. Entweder hatten die Leute keine Ahnung, welches Unglück sich an den
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