Ein Spion in erlauchter Gesellschaft (German Edition)
Pläne für ihren Ball weiterzuverfolgen, und zwar in Zusammenarbeit mit ihm.
Stattdessen hatte sie ihn geohrfeigt.
Was, nüchtern betrachtet, natürlich seine Schuld war. Hätte er sie nicht – nun ja, sie gab es zu – erregt, hätte sie sich nicht dazu hinreißen lassen, so unbeherrscht zu reagieren, und hätte nicht die beleidigte Sittsamkeit spielen müssen.
»Phillippa … «, zischte Nora und zerrte sie am Ärmel. Der arme Bitsy nagte an Noras Hand, weil es ihm ungemütlich wurde.
»Bitsy, Darling, bleib ruhig. Nora, hör auf, an mir zu zerren. Du ruinierst meinen Ärmel. Nun, sagt doch, was haltet ihr von diesem tiefen Blau für den Ball? Sieht geheimnisvoll und luxuriös aus, aber ist es auch geheimnisvoll und luxuriös genug?«
»Nein, Phillippa … Broughton … links von dir!«, stieß Nora hastig aus. In Erwartung der Begegnung mit dem Mann, den Phillippa für eroberungswürdig erklärt hatte, riss sie die Augen weit auf.
Kühl drehte Phillippa den Blick in die Richtung, in die Nora zeigte. Etwa dreißig Meter entfernt schlenderte Broughton die Straße entlang und strahlte dabei die Leichtigkeit des Daseins und eine noch größere Leichtigkeit des Lebens aus. Er wurde von einer kleinen Gruppe junger Männer begleitet, die alle über Humor, Modebewussstein und Geld verfügten – und die Broughton offenkundig zu ihrem Anführer erkoren hatten. Phillippa und Nora schauten zu, wie die Gruppe sich grüßend an den Hut tippte, als sie an ein paar kichernden unbedeutenden jungen Damen vorbeikam, wobei jede einzelne standhaft von ihrer Mutter festgehalten wurde. Nachdem die Gruppe vorbeigegangen war, machte Broughton eine Bemerkung, allerdings so leise, dass Phillippa nichts verstehen konnte. Aber alle Männer brachen in schallendes Gelächter aus.
Inzwischen waren sie nur noch knapp zwanzig Meter entfernt. Das war praktisch gar nichts mehr. Daher sorgte Phillippa dafür, dass ihr Blick direkt auf ihn traf, und schenkte ihm das bedächtige, freche Lächeln, das sie für den Fall reserviert hatte, dass sie auf der Bond Street einem interessanten Mann begegnete. Broughton fing ihr Lächeln auf und wusste, dass es ihm galt. Er zog die Brauen hoch.
»Oh, Phillippa!«, stieß Nora atemlos aus, »er kommt direkt hierher!«
»Natürlich tut er das«, erwiderte Phillippa. Doch die Gruppe kam nur sehr langsam vorwärts. Ärgerlich. »Totty, bitte übernimm Bitsy.«
»Mag der Marquis keine Hunde?«, erkundigte Nora sich besorgt.
»Hmm«, gab Totty zurück und nahm das Fellknäuel in die Arme. »Es gibt keinen Mann auf Erden, der Hunde mag.«
»Schscht, Totty. Ich habe keine Ahnung, welche Meinung Broughton über Hunde hegt. Falls es eine schlechte Meinung ist, hoffe ich nur, dass er Bitsy seine Missbilligung erspart.«
»Ich finde, dass der Marquis sehr langsam geht«, sagte Nora und legte die Stirn in Falten, »also wirklich, falls er in fünf Minuten immer noch nicht hier ist, solltest du ihm einfach keine Beachtung schenken. Dann weiß er, dass er gestraft wird.«
Nur noch zehn Meter …
»Nora! Wie grausam. Aber du begreifst immer besser.« Phillippa lächelte.
»Achtet darauf, was hinter eurem Rücken geschieht, Ladys. Es sieht so aus, als würden wir von zwei Seiten attackiert.« Totty schaute starr in die andere Richtung.
Phillippa riskierte ebenfalls einen Blick und stellte fest, dass Mr. Marcus Worth zu ihnen kam – Arm in Arm mit seiner Schwägerin Lady Worth.
Um genauer zu sein, Mr. Worth wurde von einer sehr entschlossenen Lady Worth, deren Ziel offensichtlich darin bestand, zu ihnen zu gelangen, die Straße entlanggezerrt.
»Der Himmel möge mir beistehen«, sagte Totty und drückte Bitsy so eng an sich, dass das arme Tier jaulte. »Diese Frau will über Waisenkinder und gute Taten und über Nadelarbeiten sprechen. Das ist zu viel, um es ertragen zu können.«
»Nun, Totty, sei nicht so gemein. Vielleicht sind ein paar Tugenden in ihr verborgen, die sie ein wenig liebenswerter machen«, erwiderte Phillippa. Den Blick hatte sie unerklärlicherweise auf Mr. Marcus Worths äußere Erscheinung gerichtet. Bisher hatte sie ihm keine weitere Beachtung geschenkt, aber seit sie in dem Sarkophag auf ihm gelegen und ihn in der Bibliothek seines Bruders umschlungen hatte, musste sie zugeben, dass er eine ausgesprochen gute Figur hatte. Er war kräftig wie ein Boxer, aber all diese Muskeln verteilten sich vorteilhaft auf seine hochgewachsene Gestalt, sodass er sehr schlank war und sehr –
»Wie
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