Ein Spion in erlauchter Gesellschaft (German Edition)
Sterling mit gewichtigem Ernst in der Stimme, »aber Sie tun es mit größerer Inbrunst als die meisten anderen.«
Als Fieldstone ihn fragend anblickte, fuhr Sterling fort. »Im Herbst hat es einen Vorfall in Vauxhall gegeben. Dann im Februar die Forderung nach zusätzlichen Kräften, um die Docks zu kontrollieren. Zum Teufel noch mal, es ist erst einen Monat her, dass Sie eine alte Frau in Gewahrsam genommen haben, weil Sie sie für einen verkleideten Franzosen hielten!«
»Ich hatte Grund zu der Annahme, dass im Februar ein Schiff mit französischen Feinden im Hafen festmachen würde, und fairerweise sollte erwähnt werden, dass die alte Frau tatsächlich ein verkleideter Franzose war«, entgegnete Marcus innerlich angespannt.
»Monsieur Valéry war auf dem Weg zu einem Maskenball und hatte sich als eine der Hexen von Macbeth verkleidet. Aber das nur nebenbei«, stellte Sterling klar. »Worth, wir haben keine französischen Feinde mehr. Sie können doch nicht mit diesem ständigen Misstrauen durchs Leben gehen!«
Marcus war klar, dass er sein Terrain behaupten musste. Auch wenn er gerade das Gefühl hatte, dass ihm der Boden unter den Füßen weggerissen wurde.
»Sir, darf ich Sie daran erinnern, dass ich dafür bezahlt werde, wachsam und misstrauisch zu sein? Lassen wir die früheren Vorfälle mal beiseite. Diesmal existiert die Bedrohung tatsächlich. Ich komme gerade von meinem Informanten, der … «
»Oh, worin besteht denn die Bedrohung?«, unterbrach Sterling, »und gegen wen richtet sie sich? Wie wollen die Kerle ihre Pläne umsetzen?«
»Ich … ich weiß es nicht genau, Sir. Aber ich … «
»Verdammt noch mal, Worth!« Fieldstone stand auf. »Sie können nicht erwarten, dass wir uns aufgrund dieser dürftigen Informationslage zu irgendwelchen Aktionen hinreißen lassen.« Dann hielt er inne und warf Sterling einen Blick zu. »Dieser Schreibtisch … er passt gar nicht mehr zu Ihnen, nicht wahr? Vielleicht ist das sogar schon immer so gewesen.«
Sterling hatte Fieldstones stumme Botschaft begriffen und ging zur Tür. Schweigend ließ er die beiden Männer allein. Nachdem die Tür wieder geschlossen war, fuhr Fieldstone in feierlichem Tonfall fort: »Ich sorge dafür, dass Sie die volle Pension bekommen.«
Marcus spürte, dass er zuerst leichenblass wurde, bevor ihm dann die roten Flecken seines gezügelten Zorns in die Wangen stiegen. Trotzdem gelang es ihm, sich zu beherrschen.
»Sir. Mein Kontaktmann ist tot. Ihm wurde die Kehle aufgeschlitzt.« Er reichte Fieldstone eine Karte. »Das ist der Konstabler, der den Bericht aufgenommen hat.« Er beugte sich zu Fieldstone vor und sah ihn eindringlich an, während er leise sagte: »Die Liste stammt aus genau dieser Abteilung.«
»Weil die Tinte übereinstimmte? Der Wachstropfen?«, wisperte Fieldstone traurig. »Oder stellen Sie Ihre Kollegen unter Verdacht, weil sie Ihre Hinweise nicht genügend beachten?«
»Sir, ich … «, versuchte Marcus es noch einmal, aber Fieldstone hob die Hand.
»Es muss sehr schlimm sein, wenn einem Menschen wieder und wieder nicht geglaubt wird. Dann fällt es schwer, Vertrauen zu entwickeln. Unglücklicherweise sind Sie hier auf Vertrauen angewiesen.«
»Was wollen Sie damit sagen?«, hakte Marcus vorsichtig nach.
»Sie haben zu niemandem mehr Vertrauen«, erwiderte Fieldstone gedämpft, »und niemand vertraut Ihnen mehr. Blue Raven ist im Ruhestand. Vielleicht sollte Marcus Worth auch in den Ruhestand treten.«
Es gab nichts mehr zu sagen. Marcus war zu schockiert, um mehr als nur Benommenheit zu empfinden. Er knallte die Hacken zusammen, verbeugte sich zackig vor Fieldstone und öffnete die Tür.
Vor der Sterling stand und offenkundig versuchte, nicht so auszusehen, als ob er lauschte.
Marcus versuchte, Sterlings und Leslies Blicken nicht zu begegnen, ebenso wenig wie denen der anderen Männer, die sich an ihren Tischen emsiger Untätigkeit widmeten. Er eilte an ihnen vorbei und verschwand durch die Tür der Sicherheitsabteilung.
Sollte das etwa heißen, dass man glaubte, er würde langsam verrückt werden? Im Flur kam Marcus an Crawley vorbei und fing dessen Blick auf. Crawley hatte immer zu den eher vernünftigen Mitgliedern der Abteilung gehört, zu denen, die mit beiden Beinen fest auf dem Boden standen; jetzt wandte der Mann verlegen den Blick ab und bestätigte damit, dass er bereits wusste, was heute passieren sollte.
Am liebsten hätte Marcus laut aufgeschrien. Es stimmte, was Fieldstone gesagt
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