Ein Staatsgeheimnis Am Rhein
Kleid« das Signal empfing. Ihre Bereitschaft zu jedweder Kommunikation mit den Strömungen der Gegenwartskunst war unverkennbar.
Margot Stettner, die »in Auflösung begriffene« Chefsekretärin des Ministers, begrüßte Tuffi mit der Andeutung eines Wangenkusses. Gesellschaftliche Unverbindlichkeit – mehr hatte das Zeremoniell nicht zu bedeuten. »Ich gratuliere Ihnen zu diesem großen Tag. Die Präsentation muß ein Erfolg werden. Sie haben es verdient. – Und das liebe Wesen hier«, damit stellte sie ihre Begleiterin vor, »ist meine Mitarbeiterin Hanne Sommer, die gerade dabei war, sich an die Reize der Macht zu gewöhnen, und schon steht sie mit mir auf der Abschußliste.«
Tuffi reichte auch der strammen Brünetten mit der gebändigten Fülle in der Bluse die Hand und konnte dabei nicht umhin, die Wirkung dieser Versuchung auf Andreas abzuschätzen. Manchmal bedauerte sie, daß von ihrer Ehe nur die gespannte Versorgungsbeziehung geblieben war. Aber auch Andreas hatte ihre Empfindungen nicht geweckt. Kein Mann hatte das bisher vermocht. Darum würde sie immer nach dem nächsten suchen, denn für frigide hielt sie sich nicht.
Drei oder vier Wagen fuhren gleichzeitig vor. Männer mit Ehefrauen, Emanzen und Studenten, Lebensgefährtinnen mit Fährtensuchern ließen keinen Zweifel daran, daß sie der Einladung gern gefolgt waren. Eine schlanke Dame mit schwarzer Mähne, promovierte Autorität vom Feuilleton, gefürchtet wegen ihrer spitzen Feder, hielt sich nicht lange mit unverbindlichen Worten auf, sondern ging langsam durch den Salon und musterte jedes Bild.
Dr. Benkiser, der einige Schritte voraus war, verhielt und schaute sie fragend an: »Nun?«
»Mehr Talent, als ich zu hoffen gewagt habe«, erklärte sie gönnerhaft. »Diese stimmungsvolle Überlagerung des naturalistischen Raumes durch mystische Sagenbilder etwas gewagt, aber in der Disposition und im Ansatz schon gekonnt.«
»Doch, doch, durchaus eine beunruhigende Inhaltlichkeit der Bilder, ein Schweben zwischen Natur und Traum. Vielleicht fehlt noch etwas Spontaneität und Direktheit«, gab Dr. Benkiser kund. Zuviel Lob von seiner Seite hätte die Feder vom Feuilleton unnötig kritisch gestimmt.
»Mir gefällt die Transparenz der Fabelwesen und das Gefühl für Licht und Farbe. Wo hat sie studiert?«
»In München. Professor Grundhammer hätte sie gern als Meisterschülerin gehabt«, erläuterte Dr. Benkiser. »Aber der flotte Student Andreas hat sie weggeschnappt und in die Ehe geführt. Ich weiß, daß sie an diesem Bruch in der künstlerischen Entwicklung krankt.«
»Sie hat Talent und wird wachsen.« Roma locuta. Das Feuilleton – und damit die Autorität – hatte gesprochen.
Dr. Benkiser nickte. »Ich teile durchaus Ihre Auffassung, Frau Kollegin. Man darf auf die Ausreifung gespannt sein.«
Der Chef der Cassius-Galerie war unauffällig hinzugetreten und hatte das Gespräch verfolgt. »Wirklich ein Talent, das gefördert werden sollte. Ihre Darstellung ist schon sehr gefestigt, vielleicht noch ein wenig verhalten.« Jetzt, da erkennbar wurde, welche Resonanz Tuffi bei der Kunstkritik haben würde, war es sicherlich kein Risiko mehr, sich mit ihr zu identifizieren, und so tönte es hochgestochen weiter: »Diese schwebenden Figurationen auf realistischem Hintergrund ohne konstruktivistische Etüden – Respekt.«
Margot Stettner hatte Hanne, ihr »Jammerbaby«, an die Hand genommen, um sie bei der ersten Berührung mit dieser Welt der bemühten Selbstdarsteller nicht verlorengehen zu lassen. Hanne hatte den letzten Satz des Cassius-Galeristen mit verständnisloser Verwunderung vernommen. Fragend wandte sie sich ihrer Begleiterin zu: »Was meint der damit?«
»Laß diese Wortartisten reden – manche quatschen viel, wenn der Tag lang ist. Sieh dir alles an und verweile bei dem, was dir gefällt. Es ist dein gutes Recht, die Bilder oder die gedrechselten Worte, oder sogar beides für Firlefanz zu halten. Aber dann sag lieber nichts. Schweigen mit staunenden Augen steht einer Frau in deinem Alter immer gut.« Mit diesen Worten schlenderten sie weiter zum Atelier.
Hanne atmete dankbar auf. »Weißt du, woran mich die Bilder erinnern?«
»Du darfst es mir leise sagen.«
»An Fuchur und die anderen Fabelwesen aus dem Film ›Die unendliche Geschichte‹.«
»So, so, du gehst ins Kinderkino, also doch noch ein richtiges Baby. Nur oben rum sieht’s reifer aus.«
»Hach, daß die Dinger auch so groß sind«, seufzte Hanne. »Ich war
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