Ein Staatsgeheimnis Am Rhein
Rouge auf den Wangen unterstrich den Ausdruck zupackender Lebensbejahung. Ihr anthrazitfarbenes Kleid mit den streckenden Streifen verzichtete auf die modische Schulterbetonung, um die Figur nicht zu athletisch erscheinen zu lassen. Die Streifenstruktur sollte schlanker machen, doch das Gewicht war geblieben und die Wülstchen an den Handgelenken auch.
Die große Dame der Kunst war auch des Wortes mächtig. »Liebe Frau Falkenhorst, ich freue mich, wieder einmal bei einer ernsthaften Künstlerin zu Gast sein zu dürfen. Ich weiß, daß Sie in erster Linie ihre Erfüllung an der Staffelei im Atelier finden und nicht zu früh nach dem Lorbeer des Ruhmes greifen. Und ich begrüße auch den Gatten, der seine Frau fördert und ihr den Freiraum läßt, den jeder Künstler sich wünscht.«
Andreas neigte leicht den Kopf. »Baronin, wir sind beglückt, Sie heute bei uns zu sehen. Das Haus steht zu Ihrer Verfügung, und die Arbeiten stellen sich der Kritik.«
Die Malerin bat bescheiden: »Bitte sagen Sie Tuffi zu mir. Ich komme mir sonst so fremd vor zwischen meinen Bildern.«
Freifrau von Trossenheim gab sich verständnisvoll, winkte aber ab, als Tuffi sich erbot, sie bei der Besichtigung zu begleiten. »Nicht böse sein, liebe Tuffi. Ich bleibe auch bei den charmantesten Gastgebern meinem Prinzip treu. Erst einmal gehe ich allein und sehe mich um. Wir werden später noch Gelegenheit haben, unsere Gedanken auszutauschen.« Damit ließ sie Tuffi und Andreas stehen.
Presse-Mauser hatte die Kamera umgehängt und das Objektiv auf 40 Millimeter gezoomt. Er brachte das Kunststück fertig, ein Schinkenbrot zu verspeisen, sich an einem kräftigen Whisky mit ganz wenig Sodawasser zu laben und die Kamera schußbereit zu halten.
Als Freifrau von Trossenheim vor dem »Stein der Drachen« verhielt und wie durch Zufall die lange Mähne vom Feuilleton und Dr. Benkiser hinzutraten, um diesem Bild ihre besondere Aufmerksamkeit zu widmen, drückte Mauser mit einem »Halten Sie mal bitte!« der Nächststehenden sein Glas in die Hand. Nun konnte das verwundert dreinschauende Baby Hanne bei Bedarf beidhändig trinken.
»Ich werde diese Tusche im Namen des Fördervereins ankaufen«, erklärte die Baronin und fand damit volle Zustimmung. »Hier hat unsere Künstlerin Lord Byrons Dichtung ins Gleichnishafte umgesetzt«, begeisterte sie sich und zitierte aus Childe Harold’s Pilgrim age: »Der Drachenfels zerklüftet, burggekrönt, am Strom ragt er empor mit trotz’gem Sinn…«
Mit zartem Pinsel hatte Tuffi den »Großen Vogel Freiheit«, in den leuchtenden Farben des Sonnenlichts, den Himmel über dem Felsen beherrschen lassen.
»Ja, das Bild ist schön, das gefällt mir auch«, sagte Hanne und nahm in der Begeisterung einen so kräftigen Schluck aus Mausers Glas, daß sie einen Hustenanfall bekam. Whisky hat auf zarte Kehlen nun mal eine andere Wirkung als Orangensaft.
Mauser hatte mit ein paar ordnenden Handbewegungen die gewichtige Präsidentin, die Dame vom Feuilleton und Dr. Benkiser so um die Gastgeberin gruppiert, daß der »Stein der Drachen« und die Kunstbeflissenen im Ausschnitt des Suchers Platz fanden. Drei- bis viermal Blitz und Klick. Damit war das Ereignis festgehalten.
»Sie haben den Bogen raus«, bemerkte Margot Stettner anerkennend. »Wie lernt man, so mit Menschen und mit der Kamera umzugehen?«
»Überhaupt nicht«, antwortete Mauser fröhlich. »Scheint ein Geburtsfehler bei mir zu sein«, und griff nach seinem Glas.
»Ich habe aus Versehen daraus getrunken«, klärte Hanne ihn kleinlaut auf.
»Warum auch nicht?« Mauser sah sie genauer an. Da hatte doch die Natur ein überzeugendes Kunstwerk geschaffen. »Die Damen werden mir gewiß die Freude machen, jetzt und gleich Modell zu stehen.« Schon dirigierte er sie zum Fenster und gegen das Licht.
»So ist’s recht.« Der Verschluß klickte. »Mal sehen, was sich daraus machen läßt. Und Ihre Adresse bitte?«
Bevor Hanne den Mund aufmachen konnte, gab Margot die Dienstanschrift an.
»Sie hören von mir und erhalten Abzüge«, erklärte Mauser und ging in den Salon, wo Tuffi durch den Ankauf geehrt werden sollte.
»Baby, ich glaube, der ist auf dich angesprungen«, interpretierte Margot Stettner die Szene. »Fotoreporter haben die beste Masche, Mädchen aufzureißen und ihre Adressen zu erfahren. Paß nur auf! Diese drahtig-quicken Burschen sind scharf auf Stilleben.«
»Ich dachte, der will dich anmachen«, erwiderte Hanne. Margot winkte ab. »Ach du
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