Ein Staatsgeheimnis Am Rhein
müssen? Soll ich den Fliegenfritzen mal danach fragen?«
Während des Essens blieb die Stimmung am Tisch heiter. Das Fenster war zur Hälfte hochgeschoben. Draußen auf dem Rhein tuckerten Frachtschiffe vorbei, und die Dampfer der weißen Flotte hatten Touristen und Urlaubsgruppen geladen. Fetzen von Musik drangen aus den Bordlautsprechern herüber bis zum »Sonnentiegel«. Ein gemischter Chor hatte seine Kehlen dazugeschaltet; hell klangen Frauenstimmen »… erst kommt das Binger Loch, und dann kommt Mainz.« Vater Rhein wunderte sich schon längst nicht mehr über das Treiben auf seinen Wellen.
Mit starkem Schlag zogen Ruderboote den Strom hinauf. Ein Einer führte die Gruppe von Vierern und Zweiern an, alles ganz junge Leute. Blau-weiß – das konnte die Mannschaft vom Beethoven-Gymnasium sein. Doch die Entfernung war zu groß, um Einzelheiten zu erkennen.
Wieder stand der Fliegenträger am Tisch. Er fragte gar nicht erst, ob er nachlegen dürfe, sondern servierte die leeren Teller kurzerhand ab. Dann fragte er: »Weinspeise oder Zitronenparfait?«
Lupus schüttelte den Kopf. »Danke, keine Nachspeise. Zweimal Kaffee bitte.«
Alsbald standen zwei Tabletts auf dem Tisch. »Zahlen Sie hier oder später?«
»Wir zahlen hier. Die Rechnung bitte.«
Der Riese schrieb etwas auf einen Zettel; es dauerte eine Weile. »Das macht zweiundneunzig.«
Freiberg gab einen Hundertmarkschein.
»Danke«, knurrte der Schnellrechner und ging.
Die Geduld des Kommissars war erschöpft. Leise, aber scharf rief er: »Herr Ober!«
Überrascht drehte sich der Angesprochene um.
»Sie sagten zweiundneunzig. Die Abrechnung bitte!«
Lupus grinste und klopfte mit dem Fingerknöchel Stakkato, um den Wunsch seines Chefs zu unterstreichen.
Wortlos wurden acht Mark in kleinen Münzen auf den Tisch gelegt.
»Dieser Service ist ein Trinkgeld nicht wert«, stellte Freiberg klar. »Aber sagen Sie dem Küchenchef unseren Dank – die Medaillons waren delikat.«
Ein geschnaubtes »Phhh« war der einzige Kommentar.
Nach dem Kaffee gingen Freiberg und Lupus zur Bar hinüber. Evelyn warf ihnen einen fragenden Blick zu. »Hat es Schwierigkeiten gegeben? Das Haus legt Wert darauf, alle Gäste zufriedenzustellen, auch wenn sie nur im ›Gourmet‹ verweilen.«
»Das Essen war sehr gut, aber der Service…«
Lupus unterbrach: »…wie mit der Brechstange. Das Metier scheint Ihr Gorilla wohl zu beherrschen.«
Evelyn verhielt sich abwartend. Sie spürte, daß noch nicht alles gesagt war. »Möchten Sie vielleicht eine andere Sektion kennenlernen?«
Lupus griff die Anregung sofort auf. »Aber ja – das Studio! Trimmen, Saunen und Wasserspiele! Ist das ernstgemeint oder nur der Vorhof zur Hölle?«
Evelyn lächelte nachsichtig. »Sowohl – als auch. Sie können sich gern umsehen. Jetzt ist kein Betrieb.«
Lupus wollte losstürmen, doch Freiberg legte ihm die Hand auf den Arm. »Warte noch, wir wollen erst Klarheit schaffen.« Zu Evelyn gewandt fuhr er fort: »Sie müssen wissen, woran Sie mit uns sind: Kriminalpolizei – Hauptkommissar Freiberg und Hauptmeister Müller.« Damit zeigte er seine Dienstmarke. Sein Kollege nickte nur gönnerhaft.
Evelyn biß sich auf die Unterlippe, um keine Überraschung erkennen zu lassen. »Mir war schon längst klar, daß Sie sich nicht verwohnen lassen wollten. Aber was führt Sie her? Der Betrieb ist ordnungsgemäß konzessioniert und wird ärztlich überwacht. Das Haus hatte bisher noch niemals Probleme mit der Polizei.«
»Hoffentlich bleibt das so«, knurrte Lupus. »Dürfen wir einen Blick in den Trimmraum werfen?«
»Ich kann Sie nicht daran hindern«, antwortete Evelyn steif.
»Doch, das können Sie«, erklärte Freiberg. »Sie brauchen nur nein zu sagen. Wir haben keinen Durchsuchungsbefehl. – Also? – Anschließend hätten wir dann noch ein paar Fragen zu stellen.«
»Bitte sehen Sie sich um. Ich werde inzwischen versuchen, den Chef zu erreichen.«
»Bitte tun Sie das.«
»Aber lassen Sie ihren gestreiften Gorilla vor der Tür«, ergänzte Lupus. »Sonst gibt’s Ärger. Wir sind nämlich eine sehr empfindliche Sorte Mensch. Bullen mit Gemüt darf man nicht ungestraft reizen.«
Die Sektion »Studio« war als Trimmraum komplett ausgestattet, doch die Geräte schienen wenig gebraucht zu sein. Der Trockenruderbock und zwei Heimtrainer blockierten das Klettergestell. Die Sonnenbänke allerdings zeigten Spuren von Benutzung. Auch das Viermeterbecken dürfte Schwimm- und Turnübungen erlebt
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