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Ein Stern fliegt vorbei

Ein Stern fliegt vorbei

Titel: Ein Stern fliegt vorbei Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl-Heinz Tuschel
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sein, losgetrennt von den anderen und von der hilfreichen Technik, meistens so überwältigend, daß es einen harten Kampf kostete, die Selbstbeherrschung nicht zu verlieren. Was dann folgte, war eine Art von Lassowerfen. Der Partner des Prüflings warf eine Scheibe in Richtung des Abgerissenen, die einen dünnen, festen Faden hinter sich herzog und aus der ein Plastenetz von 100 mal 100 Meter durch eine schwache Explosivladung herausgeschleudert wurde. Der Prüfling mußte dann seinerseits versuchen, mit einem Wurfseil das Netz zu erreichen und an sich heranzuziehen. Theoretisch hörte sich das immer recht einfach und spielerisch an, aber bei einer Entfernung von ein, zwei Kilometern war das von beiden schon ein tüchtiges Stück Präzisionsarbeit, vor allem für den Abgerissenen, der sich ja in seinen Bewegungen auf nichts stützen konnte.
    „Ich habe einfach Angst, daß uns beim Abriß-Test noch vier bis fünf Mann durchdrehen“, sagte Sabine, als sie eines Abends beieinander saßen, um den zurückliegenden Tag auszuwerten und den folgenden vorzubereiten. Henner runzelte die Stirn. „So viele?“
    Sabine hob die Schultern. „Weil niemand genau weiß, wofür er eigentlich ausgebildet wird. Das ist doch eine einfache psychologische Frage – je mehr zielgerichtet eine Aufgabe gegeben wird, je mehr vorher über die Schwierigkeiten und Gefahren bekannt ist, um so ausgeglichener und standhafter sind die, die sie durchführen.“
    „Du redest, als ob wir’s ändern könnten“, antwortete Henner ärgerlich. „In ein paar Tagen wissen wir mehr, dann kann man vielleicht schon etwas sagen. Du kannst doch den Leuten nicht einfach vor den Kopf knallen, daß der Weltuntergang auf der Tagesordnung steht.“
    „Ich bin müde“, erklärte Sabine, scheinbar zusammenhangslos.
    „Dann geh schlafen“, antwortete Henner trocken. „Ich hab noch zu tun.“
    Er begreift es nicht, dachte Sabine. Er will nicht begreifen, daß ich zweifle, daß ich keinen Sinn mehr sehe in unserer Arbeit. Er hat sich ein Idealbild von mir gemacht, und daran läßt er niemand kratzen, nicht mal mich, es könnte ihn ja beunruhigen, es könnte ihn ja bei der Arbeit stören… Sie ging an ihren Schreibtisch und nahm sich ein Bündel Diagramme vor.
    „Ich denke, du bist müde?“ fragte er nebenbei. Wenn dieser verdammte Kerl sich doch einmal Mühe geben würde, etwas zu hören, was man nicht direkt sagt, dachte sie. Dann stand sie auf, ging zu ihm und gab ihm einen Kuß – gewissermaßen als stumme Sühne für den gedachten verdammten Kerl. Henner blickte auf. „Ach so“, sagte er und wollte sie umarmen und an sich ziehen, aber sie sprang schnell zurück und sagte lachend: „Zug verpaßt!“
    Er schüttelte den Kopf: Ich werde doch nie lernen, richtig mit ihr umzugehen! Und auch sie schüttelte den Kopf: Er ist doch ein lieber alter Elefant. Dann seufzten sie beide, sahen sich daraufhin erstaunt an, lachten und arbeiteten weiter.
     
    Als Yvonne, vom Mond zurückkommend, mit der Tasche unterm Arm die Halle des Raumflugplatzes SAHARA betrat, stand plötzlich wie aus dem Boden gewachsen Lutz Gemba vor ihr. Schweigend verbeugte er sich und schweigend überreichte er ihr einen großen Strauß blühender Kirschzweige.
    Yvonne steckte den Kopf in die Zweige, zog ihn wieder heraus und sagte: „Nanu? Hat der große Journalist die Sprache verloren?“
    „Nein“, antwortete Lutz fröhlich. „Aber da ich ohne ein Wort von Ihnen geschieden bin, wollte ich Sie auch ohne ein Wort begrüßen. Darf ich nun bitten – Ihre Maschine ist startbereit!“
    Er nahm ihre Tasche, schritt voran, half ihr in die zweisitzige Düsenmaschine und wollte eben hineinklettern, als sie fragte: „Wo ist denn der Pilot?“
    „Hier!“ sagte Lutz und ließ sich auf den Pilotensitz fallen. „Und weil ich nämlich Leute nicht mag, die inkognito reisen, darf ich mich vorstellen: Lutz Gemba, Mitarbeiter des Kampfstabes gegen die kosmische Gefahr, der morgen dem Weltrat zur Bestätigung vorgeschlagen wird.“
    „Spinnen Sie?“ fragte Yvonne.
    Lutz lachte. „Ich wollte es Ihnen ja seinerzeit auch nicht glauben. Jetzt sind wir aber quitt und können starten. Setzen Sie den Helm auf und legen Sie das Kehlkopfmikrofon an, damit wir uns weiter streiten können. Achtung!“
    Die Düsenmotoren heulten auf, das Flugzeug erhob sich steil in die Luft.
     
    In der Sicherheitskommission begann gleich nach Yvonnes Ankunft die Sitzung des Kampfstabes, wie Nadja Shelesnowa dieses offiziell

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