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Ein Stern fliegt vorbei

Ein Stern fliegt vorbei

Titel: Ein Stern fliegt vorbei Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl-Heinz Tuschel
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Jede Winzigkeit, die jetzt übersehen, geringgeschätzt, falsch geregelt wurde, konnte später den Ausschlag geben für Erfolg oder Mißerfolg des ganzen Unternehmens. Die Reise zu den Planetoiden würde Jahre dauern. Sie würde unter Bedingungen stattfinden, die weitgehend unbekannt waren. Eine Vergeßlichkeit von heute oder auch nur ein Zuwenig an Voraussicht konnte durch Verkettung irgendwelcher noch unbekannter Umstände für die Reisenden zu einem unlösbaren Problem werden. Und das nicht nur auf dem Gebiet der Technik, also in der Ausrüstung der Raumschiffe, die allein schon viele schwierige Fragen aufwarf: Blieben die Algenkulturen, die den Stoffwechselkreislauf schlossen, indem sie die menschlichen Stoffwechselprodukte in Sauerstoff und Eiweiße verwandelten – blieben diese bisher benutzten Algen auf so lange Zeit fortpflanzungsfähig? Würde die Trennwand, die den Nutzteil der Raketen vor der Strahlung des Antriebsreaktors schützte, nicht nur wie bisher fünf Monate, sondern mehrere Jahre dicht bleiben? Oder: Welche wissenschaftlichen Disziplinen, welche technischen Einrichtungen würden voraussichtlich bei der Erforschung des Planetoidensystems gebraucht werden?
    Fragen dieser Art gingen in die Tausende. Nur ein Teil davon konnte experimentell gelöst werden, und so hatte die mathematische Abteilung der UKKA, deren Aufbau und Leitung Yvonne übertragen worden war, alle Hände oder besser alle Hirne voll zu tun mit der Modellierung von technischen Prozessen, mit der Optimierung der Ausrüstung und – spezielle Aufgabe für Yvonne – mit der Konstruktion der Rechentechnik für die Expedition selbst, deren Hauptaufgabe ja darin bestehen würde, das System, seine Bahn und seine innere Bewegung zu berechnen.
    Aber das alles war ja nur die technische Seite. Hier war die Vorbereitung, wenn auch sehr umfänglich, so doch nicht gänzlich von unberechenbaren Faktoren abhängig. Viel schwieriger war die menschliche, die gesellschaftliche Seite. Die in der Geschichte der Raumfahrt bis dahin längste Expedition hatte sechs Monate gedauert – und im fünften Monat hatte es einen epidemischen Ausbruch jener seltsamen Krankheit gegeben, die den Namen Raumfieber bekommen hatte, von der man aber immer noch nicht mehr wußte als das, was der Name schon sagte: daß sie bei längerem Aufenthalt im Raum auftrat und mit Fieber verbunden war. Die Krankheit war damals überwunden worden, wie, wußten die Ärzte später selbst nicht recht zu sagen; aber das war schon in einer Situation gewesen, als die Expedition den Rückweg zur Erde angetreten hatte und man sich mit jeder Stunde dem heimatlichen Planeten näherte. Wie aber würde solche Krankheit sich entwickeln, wenn nach dieser Zeit das Ziel der Reise noch nicht einmal erreicht war? Oder nehmen wir eine einfachere Frage: Bisher galt an Bord der Raumschiffe das Kommandeurprinzip. Reichte das für eine so lange und in der Aufgabenstellung so komplizierte Expedition? Oder: Es sollten drei Raumschiffe entsandt werden, da ein System von Raumschiffen eine größere Sicherheit bot als ein einziges, entsprechend größeres. Aber welche Funktionsverteilung zwischen den Raumschiffen würde die zweckmäßigste sein und welche Unterschiede in Ausrüstung und Besatzung ergaben sich daraus? Welche Bestandteile des riesigen technischen und wissenschaftlichen Erfahrungsschatzes der Menschheit mußten in die Speicherkristalle des Expeditionsarchivs eingegeben werden?
    Mit all diesen Problemen schlug sich Lutz Gemba herum; natürlich löste er sie nicht allein, sondern verteilte sie an die verschiedensten Forschungsgruppen und koordinierte die Arbeit. Aber es hing doch weitgehend von ihm ab, ob überhaupt und in welchem Maße dabei etwas herauskam.
    Vielleicht taucht hier die Frage auf, warum solche für das Gelingen der Expedition entscheidenden Vorbereitungen nicht in die Hand älterer Personen gelegt wurden, die mit mehr Lebenserfahrung und höheren wissenschaftlichen Kenntnissen ausgerüstet waren. Die UKKA hatte für diese Wahl – abgesehen von den persönlichen Eigenschaften der beiden jungen Mitarbeiter – zwei prinzipielle Gründe.
    Zum ersten war es klar, daß die endgültige Lösung des Problems, die Beseitigung der Gefahr für die Menschheit, eine Aufgabe vorwiegend der Generation von Yvonne und Lutz sein würde. Die meisten der heute führenden Wissenschaftler und Organisatoren würden in zwei bis drei Jahrzehnten, wenn die Hauptarbeit zu leisten sein würde, für die

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