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Ein Stern fliegt vorbei

Ein Stern fliegt vorbei

Titel: Ein Stern fliegt vorbei Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl-Heinz Tuschel
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noch gar nicht existierende Gremium nannte. Nadja, Yvonne, Duncan, Henner und Lutz saßen an einem runden Tisch, um die Beschlußvorlage für den Weltrat auszuarbeiten. Zunächst wurde Yvonnes Bericht entgegengenommen.
    „Die Funkmessung“, begann sie, „hat unsere Entschlüsselung der Botschaft leider bestätigt. In der angegebenen Entfernung von rund 2000 AE konnten fünf Objekte geortet werden. Nach der Empfindlichkeitsgrenze unserer Anlagen zu urteilen, müssen diese Objekte mindestens Durchmesser von 1500 km haben. Kleinere Objekte können vorhanden sein. Es ist auch möglich, daß weitere große Objekte hinter einem Vorhang von kosmischem Staub fliegen, der unsere Funkimpulse diffus reflektiert haben könnte.“
    Sie machte eine Pause, sah alle an und fuhr dann fort:
    „Die Objekte haben sehr unterschiedliche Geschwindigkeiten, bezogen auf unsere Sonne. Das ergibt sich aus der Verschiebung der Wellenlänge. Einige kommen schneller auf uns zu, einige langsamer. Dafür gibt es nur eine Deutung: Die Objekte sind Teile eines Systems, das in sich rotiert. Dann müssen wir aber damit rechnen, daß es aus Körpern jeder Größe besteht, angefangen von kosmischen Staubteilchen bis zur Planetoidengröße. Man sollte es deshalb am besten als Planetoidensystem bezeichnen.“
    Alle schwiegen. Jedem war klar, daß diese Eigendrehung des Systems die Gefahr wesentlich erhöhte. Wie die Funkmessung nun ergeben hatte, näherte es sich auf der Ebene der Ekliptik, und es würde rund zehn Jahre dauern von der ersten bis zur letzten Berührung zwischen dem System von Körpern und dem Sonnensystem. Es würde sich in dieser Zeit viele Male um sich selbst drehen, und die Anziehungskraft der Sonne würde es dabei wahrscheinlich noch weit auseinanderziehen: eine riesige Schleuder, die das Leben auf der Erde mit einem jahrelangen dichten Hagel von Gesteins- und Felsbrocken bedrohen würde – gar nicht daran zu denken, was geschehen konnte, wenn etwa einer der großen Körper sich der Erde allzusehr nähern würde. Trotzdem: Die Zeit der unbestimmten Befürchtungen war vorbei. Das Planetoidensystem war für die hier Versammelten zu einem Gegenstand von Planungen und Berechnungen geworden, und es bezog sich mehr auf die bevorstehende Sitzung des Weltrats, als Nadja sagte: „An die Arbeit. Jetzt wird’s ernst.“
     

III
    Die Erlebnisse der ersten Expedition zum Planetoidensystem und vor allem der spätere Einsatz der Raumflotte gegen die Gefahr sind heute allgemein bekannt. Aber es gibt Zeiten der Entscheidung und Zeiten der Vorbereitung. Zwar war ich damals erst acht Jahre alt, kann also zu der jetzt in Rede stehenden Periode aus eigenem Erleben nichts beisteuern; doch habe ich mein Leben lang immer wieder erfahren: Zeiten der Vorbereitung haben etwas Eigentümliches an sich. Scheinbar ereignete sich nichts von Bedeutung oder wenigstens nichts, was leidenschaftliche Anteilnahme weckt oder die Vorstellungskraft zu kühnem Ausschweifen erregt. Von denen, die etwas vorbereiten, wird weniger Mut gefordert als vielmehr Ausdauer, weniger Kühnheit im Denken als vielmehr Genauigkeit, und statt großer Erlebnisse haben sie viel kleinen Ärger.
    Die weiteren Ereignisse präsentierten sich zunächst wie Alltäglichkeiten, und es scheint alles über sie gesagt zu sein, wenn man sie aufzählt: Der Weltrat ernannte eine Untersuchungskommission für kosmische Angelegenheiten (UKKA). Nadja Iwanowna Shelesnowa wurde von ihrer derzeitigen Funktion entbunden und zur Vorsitzenden dieser Kommission berufen, dazu Kapitän Hellrath und Professor Gemba als Mitglieder. Die Weltraumbehörde wurde der UKKA unterstellt. Duncan Holiday und sein Vorhaben wurden der Akademie für hohe Energien zugeteilt, er erhielt aber ein eigenes Institut und einen Sonderfonds für die Weiterführung seiner Experimente im Weltraum. Auf dem Mond wurde der Sender „Terra“ installiert, der die Botschaft aus dem All beantworten sollte. Jenseits des Asteroidengürtels errichteten die drei Raumschiffe SIRIUS, ATAIR und WEGA eine Transitstation, die STARTSTUFE II, von der aus sie später zur Expedition nach dem Planetoidensystem starten sollten.
    Aber diese Alltäglichkeit einer vorbereitenden Zeitspanne, dieses Hervortreten des organisatorischen Elements, war eben nur scheinbar charakteristisch. Unter der Oberfläche der Betriebsamkeit vollzog sich eine Entwicklung, deren Bedeutung sich erst offenbaren konnte, als später an die Stelle der Vorbereitung die Durchführung trat.

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