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Ein Stern fliegt vorbei

Ein Stern fliegt vorbei

Titel: Ein Stern fliegt vorbei Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl-Heinz Tuschel
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Sache ist nämlich die – ach, I-ren, mach doch mal Tee, du kennst ja das alles, was ich zu erzählen habe, und außerdem bist du doch hier die Gastgeberin, nicht? Also die Sache ist die: Das Faktenmaterial, das bei unseren Versuchen anfällt, mathematisch zu verarbeiten – das schaffen wir schon, dazu reicht es bei uns. Aber das genügt nicht, damit bleiben wir noch zwanzig Jahre lang im Statistischen stecken.“
    „Aber wenn ihr genügend statistische Gesetzmäßigkeiten erfaßt habt, müssen doch die dynamischen sichtbar werden?“
    „Das einzige, was bisher sichtbar wird, ist, daß wir mit unseren ganzen modernen physikalischen Vorstellungen und Begriffen in diesen Bereichen ungefähr so viel ausrichten können wie mit einem Preßlufthammer in einer Armbanduhr. Es ist so ähnlich wie beim Übergang von der klassischen Physik zur modernen – nichts scheint mehr zu stimmen. Ich weiß nicht, was ich noch sagen soll, um dich zu überzeugen.“ Er wandte sich I-ren zu, die gerade wieder hereinkam. „I-ren, sprich du.“
     



„Überzeugen wovon?“ fragte Nadja, ehe I-ren etwas sagen konnte. Aber die ließ sich die Gelegenheit nicht entgehen, Übereinstimmung mit Duncan zu demonstrieren. „Davon, daß wir jemand brauchen, der im Umgang mit mathematischen Modellen versiert ist“, sagte sie.
    „Genau gesprochen“, meinte Duncan, „wir brauchen ein Genie. Also – kriegen wir die kleine Yvonne?“
    „Sie ist vorgesehen für den Flug zu den Planetoiden – und das hier ist doch wohl eine langfristige Sache“, entgegnete Nadja.
    Duncan drehte sich auf dem Sessel herum und hob die Arme zu einer großen Geste, halb gespielt, halb ernsthaft. „Was hat sie da schon zu tun? Felsbrocken sortieren und Stäubchen zählen. Nadja, hier sind neue Grundlagen zu entdecken, ganz neue Zweige der Mathematik.“
    „Es wird doch in der ganzen weiten Welt“, meinte Nadja, „noch ein paar andere Leute geben, die das auch können.“
    „Möglich“, gab Duncan zu, „aber kaum welche, die in so großem Maßstab Forschung an Hand mathematischer Modelle betrieben haben, wie das bei euch in der Sicherheitskommission geschehen ist. Und wohl kaum jemand, der so genau wie Yvonne weiß, um was es hier geht.“ Er sagte es mit Betonung.
    „Gut – ich werde mit ihr sprechen“, versprach Nadja. „Vielleicht kann sie sich während des Fluges damit beschäftigen.“
    Me I-ren bemerkte mit Unruhe, daß Nadja dabei ganz leicht die Augenbrauen hob, als wolle sie Duncan auf etwas aufmerksam machen, das sie nicht aussprechen wollte, und daß Duncan mit einem undeutlichen „Jaja“ den Kopf zur Seite wandte. Gab es zwischen den beiden etwa Dinge, von denen sie, Me I-ren, nichts wußte? Von denen sie ausgeschlossen war? Und sie hatte gedacht, sie könne die Rivalin einfach weggraulen.
    Sie suchte nach ein paar in dieser Richtung bohrenden Fragen, aber sie kam nicht dazu, sie auszusprechen, denn in diesem Augenblick ertönte draußen auf dem Gang die Rufanlage: „Chef – bitte melden! Chef – bitte melden!“
    Me I-ren schaltete mit einem schnellen Griff die Bildübertragung ein. Das erregte Gesicht des Diensthabenden erschien auf dem Bildschirm. „Das Labor! Die Verbindung ist abgebrochen. Das Labor glüht!“
    Duncan überlegte. Sein Gesicht blieb ruhig, aber an der Knappheit, mit der er sprach, wurde seine Erregung kenntlich.
    „Zwei Operativraketen fertig machen. Start in – zehn Minuten. Die Zwei nehmen Sie, die Eins ich.“ Er sah die Bedenken im Gesicht des Diensthabenden. „Einwände?“ fragte er.
    „Nicht einverstanden“, erklärte der Diensthabende. „Wir wissen nicht, ob der ausgelöste Prozeß bereits abklingt oder noch anwächst.“
    „Wir werden gar nichts wissen, wenn wir hierbleiben. Ihre Einwände werden berücksichtigt, wenn wir an Ort und Stelle sind. Noch Fragen?“
    „Ich rate trotzdem ab.“
    „Ich höre es. Führen Sie meine Anweisungen aus!“ Duncan gab Me I-ren einen Wink, und sie schaltete ab. „Er sieht die Sache nüchtern“, sagte sie, „als Astronaut brennt er nicht so darauf wie wir Physiker.“
    „Weiß ich“, knurrte Duncan und erhob sich.
    Me I-ren stand ebenfalls auf. „Ich komme selbstverständlich mit“, erklärte sie.
    „Ich auch“, sagte Nadja.
    Duncan sah von einer zur anderen. Er wollte ablehnen, aber da spürte er eine so merkwürdig gespannte, übereinstimmende Entschlossenheit bei den beiden Frauen, daß er es vorzog, sich jetzt nicht auf eine Auseinandersetzung

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