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Ein Stern fliegt vorbei

Ein Stern fliegt vorbei

Titel: Ein Stern fliegt vorbei Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl-Heinz Tuschel
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Ausführung des Befehls eine gewisse Zeit, in der der Strahl bereits weitergewandert ist. Die Rechner geben also einen neuen Befehl: Tätigkeit in entgegengesetzter Richtung. Und nun wiederholt sich das alles, immer wieder. Klar?“
    Alle lehnten sich aufatmend zurück – außer Miguel, der nun vor Interesse glühte. „Das heißt also“, sagte er, vor Eifer fast stotternd, „es hat sich innerhalb dieses ganzen Steuerungssystems spontan ein selbstregulierendes System herausgebildet, das die Steuerung innerhalb eines bestimmten Bereichs aufhebt.“
    Yvonne schaute ihn verwundert an. „Wenn man sich die Mühe machen will, diese Belanglosigkeit wissenschaftlich zu verallgemeinern, ist das ziemlich richtig. Ich würde nur nicht sagen aufhebt, sondern vielleicht: ihr entgegenarbeitet, denn es kann ja auch der Fall eintreten, daß es sich auf den genauen Wert einschaukelt. Aber sagen Sie mal, Freund meiner Freundin – und werden Sie nicht gleich wieder rot –: Was haben Sie denn mit der Kybernetik vor? Ist das Ihr Steckenpferd?“
    „Er hat nur ein Steckenpferd zu haben, und das bin ich“, erklärte Ljuba. „Und jetzt Schluß mit der Fachsimpelei!“
    Miguels Protestversuch ging im allgemeinen Lachen unter, und er gab sich zufrieden, zumal Ljuba mit großzügiger Geste hinzusetzte: „Da er in dieser Richtung wissenschaftlich arbeiten will, gestatte ich ihm eine begrenzte Zahl von Rendezvous mit dir. Aber nimm dich in acht – im Zorn bin ich schrecklich!“
     

IV
    Im Schatten der Venus, aber außerhalb ihrer Einflußsphäre, so weit entfernt von ihr, daß die Aufrechterhaltung dieser Planetenbahn nicht allzuviel Energieaufwand erforderte, kreiste die energetische Versuchsstation Duncan Holidays um die Sonne. Diese Bahn, so weit von der Erde entfernt und nur unter ständigem Antrieb beizubehalten, war gewählt worden, weil die Venus wegen ihres schwachen Magnetfeldes keinen ausgedehnten Strahlungsgürtel hatte und weil man in ihrem Schatten vor dem Sonnenwind geschützt war, jenem Ansturm von elektromagnetischen Wellen und Elementarteilchen – mit einem Wort: weil die Versuchsbedingungen hier absolut kontrollierbar waren und blieben. Die Station war wie üblich ringförmig gebaut, damit die fehlende Gravitation durch Zentrifugalkraft ersetzt werden konnte; nur daß hier der Ring, der fast eine kleine Stadt beherbergen mußte, größer war als gewöhnlich. Fast 500 Meter betrug der Durchmesser, und man hatte schon eine gute Viertelstunde zu gehen, wollte man den umlaufenden Mittelkorridor ganz durchschreiten.
    Die Versuche fanden jedoch nicht hier statt, sondern in einem noch größeren Ring, der der Station auf einer ähnlichen Bahn in hundert Kilometer Abstand folgte und während des Ablaufs der Experimente nicht von Menschen betreten werden durfte; in diesem größeren Ring, von den Mitarbeitern Labor genannt, liefen alle Prozesse automatisch ab, oder sie wurden von der Station aus gesteuert.
    Die Ringform des Labors hatte ihre Ursache nicht in der Notwendigkeit, einen Schwerkraftersatz zu schaffen, sondern in seinem Aufbau.
    Es war ein Synchrophasotron von riesigen Ausmaßen, in dem selbst schweres Plasma bis dicht an die Lichtgeschwindigkeit beschleunigt werden konnte.
    Beide, Station und Labor, lagen in tiefem Dunkel, solange nicht in unmittelbarer Umgebung Arbeiten ausgeführt wurden, die Beleuchtung brauchten, oder solange sich nicht – wie eben jetzt – ein Raumschiff näherte.
    Die Neulinge unter den Reisenden hatten den schimmernden Kreis, auf den das Raumschiff zuhielt, anfangs für die Station gehalten, bis die Erfahreneren, meist zurückkehrende Urlauber, sie aufklärten: Der leuchtende Ring, der so exakt in den schwarzen Himmel gezeichnet war, daß man ihn unmöglich für eine Naturerscheinung halten konnte, wenn man mit den Gegebenheiten nicht vertraut war – dieser Lichtring war die Venus oder vielmehr, was von hier aus von der Venus zu sehen war, nämlich Abend und Morgen des Planeten; es war der das Sonnenlicht zerstreuende Teil der Venusatmosphäre an der Grenze ihrer Nachtseite, die ja nach Lage der Station dem ankommenden Raumschiff zugewandt sein mußte. Der Lichtring diente bei der Annäherung als einfaches und zuverlässiges Orientierungsmittel, bis er durch die Funkfeuer der Station abgelöst wurde. Erst wenn das Raumschiff ganz nahe war, flammten auf der Station die Scheinwerfer auf und beleuchteten das Riesenrad, seine Speichen und die Nabe in der Mitte, den Raketenbahnhof.
    Nadja

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