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Ein Stern fliegt vorbei

Ein Stern fliegt vorbei

Titel: Ein Stern fliegt vorbei Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl-Heinz Tuschel
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einzulassen, zumal es keine ernsthaften Gegenargumente gab.
     
    Bald darauf verließen die beiden Operativraketen die Nabe der Station. Es waren kleine, spindelförmige Raumschiffe mit chemischem Antrieb und halbautomatischer Steuerung, die sich besonders für Arbeiten in begrenztem Raum eigneten. Duncan Holiday hatte für alle angeordnet, die schweren Schutzanzüge anzulegen, und so waren die beiden Frauen, bis zur Unkenntlichkeit vermummt, auf ihren nebeneinanderliegenden Sitzen praktisch ohne Kontakt miteinander. Duncan saß vor ihnen auf dem Pilotensitz und steuerte die Rakete zu dem glühenden Labor, das bald als Sternchen über dem Lichtsaum des Venusrandes sichtbar wurde. „Achtung, Zwo“, sprach Duncan ins Mikrofon. „Gehen Sie auf die Bahn des Labors und halten Sie konstanten Abstand von zehn Kilometern!“
    „Verstanden!“ kam die Antwort.
    Größer wurde nach und nach das Sternchen, dem sie zustrebten, und sein Licht war schon fast unangenehm grell geworden, als Duncan eine Taste drückte. Sofort verblaßte das Licht zu einem leichten Schimmer, und die anderen Sterne wie auch der Lichtring der Venus verschwanden völlig. Duncan hatte die Lichtdurchlässigkeit der Frontscheiben der Rakete herabgesetzt.
    Wieder wurde das Licht allmählich heller, und der Fleck wuchs zu einer Scheibe. Als er etwa die Größe des Vollmondes, wie man ihn von der Erde aus sieht, erreicht hatte, stoppte Duncan den Flug, orientierte die Automatik auf den glühenden Gasball und stellte sie auf „Abstand beibehalten“ ein. Der Abstand betrug etwa zwei Kilometer. Dann drehte er seinen Sessel herum. „Wir werden uns das Ding mal durch die Fernsehkamera ansehen“, sagte er und zeigte nach hinten, „da sieht man genauer.“
    Die beiden Frauen drehten sich halb um. Auf dem seitlich hinter ihnen angebrachten Bildschirm erschien, schimmernd und groß, ein schwarzer Kreis, von intensivem Licht umgeben; keine Spur war zu sehen vom Ring des Labors.
    „Seht an, wir haben eine kleine Sonne zur Welt gebracht“, sagte Duncan sorgenvoll. „Sie hat unser ganzes Labor verspeist.“
    „Wieso ist sie denn schwarz?“ fragte Nadja und ärgerte sich im gleichen Augenblick über ihre dumme Frage. I-ren antwortete sofort: „Eine Schwäche unserer Kameras. Was an Lichtstärke ihr Aufnahmevermögen übertrifft, erscheint schwarz. Sonst unangenehm, hier aber ganz nützlich.“
    Sie betrachteten schweigend die erste von Menschenhand geschaffene Sonne.
    „Sie wird kleiner!“ rief I-ren plötzlich. Tatsächlich – der schwarze Fleck schrumpfte zusammen.
    „Kaum anzunehmen, daß sie stabil bleibt – bei der winzigen Masse“, sagte Duncan, ohne den Blick vom Bildschirm zu wenden. „Da, jetzt wächst sie wieder. Sie pulsiert. Zeit nehmen!“
    Nadja hob den Arm, bis sie die in den Ärmel des Raumanzuges eingelassene Uhr sehen konnte. Sie wollte etwas fragen, aber plötzlich wurde ihr klar, daß das starke Rauschen in ihren Ohren nicht von der Erregung kam, sondern aus dem Helmlautsprecher. Etwa 15 Sekunden lang wuchs der Fleck, dann begann er sich wieder zusammenzuziehen, und gleichzeitig hörte das Rauschen auf.
    Die Gefährten hatten die gleiche Zeit genommen. „Ich glaube, mein Helmempfänger ist nicht in Ordnung“, sagte Nadja. „Er rauscht fürchterlich.“
    „Das ist unser Sonnenbaby“, erwiderte Duncan. „Verstärkte Emission von Strahlung während der Aufblähung. Übrigens dauert die Schrumpfung länger, wir haben jetzt schon dreißig Sekunden.“
    Erst nach etwa drei Minuten hörte die Kugel auf sich zusammenzuziehen. Als das wieder einsetzende Rauschen den Beginn der Aufblähung ankündigte, beugte I-ren sich vor und markierte den kleinsten Durchmesser des Flecks mit zwei roten Strichen auf dem Bildschirm.
    „Du hast es also auch bemerkt?“ hörte Nadja Duncan noch sagen, dann machte wieder das Rauschen jede Verständigung unmöglich.
    Dreizehn Sekunden maßen sie diesmal für die Ausdehnungsperiode. I-ren markierte den größten Durchmesser in gleicher Weise wie vorhin auf dem Bildschirm.
    „Das Rauschen war diesmal auch stärker“, sagte I-ren, als sie sich wieder verständigen konnten.
    „Ja, es scheint, der Rhythmus ändert sich“, erwiderte Duncan. „Wir werden ja gleich sehen.“
    Nadja hatte keine Ahnung von den physikalischen Prozessen, die in diesem glühenden Ball von etwas mehr als zwanzig Meter Durchmesser vor sich gingen, und sie verschob alle Fragen auf später, um die beiden Wissenschaftler nicht zu

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