Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Ein Stern fliegt vorbei

Ein Stern fliegt vorbei

Titel: Ein Stern fliegt vorbei Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl-Heinz Tuschel
Vom Netzwerk:
Dann – mit einem Schlag – waren sie wieder gewichtslos.
    Duncan drehte sich herum, faßte sich an den Helm und machte die Bewegung, mit der man einen Lichtschalter dreht. Die beiden Frauen verstanden. Sie schalteten den Helmfunk ab – sofort war Stille, wohltuende Stille im Helm.
    Statt dessen brach nun plötzlich für den Bruchteil einer Sekunde eine so schmerzlich grelle Lichtflut durch die Frontscheibe, daß den Insassen noch feurige Kreise und Flecke vor den Augen tanzten, als die Scheibe schon wieder dunkel war. Sehr langsam nur gewöhnten sich die Augen wieder an den schwachen Schimmer in der Rakete, bei dem man gerade die Silhouetten der anderen erkennen konnte.
    Nadja fühlte I-rens Hand an ihrem Arm und hörte ein Klopfen am Helm. Natürlich, man konnte ja den Helmfunk erst mal wieder anschalten. Duncan sprach gerade:
    „…wahrscheinlich explodierte in den Raum geschleudertes Plasma von riesiger Temperatur, aber geringer Dichte. Na, Zwei wird ja alles auf Film genommen haben. Ich schalte jetzt den Antrieb wieder ein.“
    Sie verspürten einen leichten Stoß – die Steuerelektronik funktionierte wieder. Aber dann hatten sie merkwürdigerweise das Gefühl, sich zu drehen, und tatsächlich, auf der Frontscheibe, zunehmend schneller, wanderten der Lichtring der Venus vorüber, die Sternbilder, wieder die Venus. – Die Drehung schien schneller zu werden! Ein rascher Handgriff von Duncan schaltete den Antrieb ab.
    Ihr Gewicht hatte sich während der Drehung unter Antrieb ständig vergrößert. Jetzt waren sie wieder gewichtslos, oder doch fast gewichtslos, da die Zentrifugalkraft, die sie nach vorn zog, nicht sehr groß war. Dafür spürten sie die Drehung um so deutlicher.
    „Was ist denn nun eigentlich passiert?“ fragte I-ren.
    „Und was können wir tun?“ fragte Nadja.
    „Erst mal warten“, war die Antwort. „Dann muß einer raus in die Frühlingsluft – ich natürlich. Aber jetzt muß ich versuchen, ungefähr unsere Bahn zu bestimmen. Ihr schwebt inzwischen mal nach hinten und holt eine Werkzeugtasche und ein Schweißgerät. Hängt das alles in die Schleuse!“ Dann begann er mit bunten Leuchtkreidestiften, die als Markierungs- und Verständigungsmittel zum Inventar jedes Raumanzugs gehörten, die Bahnen bestimmter Sterne auf der Frontscheibe nachzuziehen, Zeiten zu nehmen und zu rechnen.
    Nadja und Me I-ren tasteten sich nach hinten. Das wurde um so schwieriger, je näher sie der Mitte der Rakete und damit dem Drehpunkt kamen. Zum Glück waren die Werkzeugschränke mit Leuchtzeichen markiert und hatten eine schwache Innenbeleuchtung. Das gab eine brauchbare Orientierung, wenngleich sich nach wie vor alles zu drehen schien.
    Sie befestigten gerade das letzte Werkzeug an der Schleusenwand, als Nadja I-ren stöhnen hörte: „Mir wird übel.“
    Sie nahm I-rens Hand und zog sie in die Mitte der Rakete. „Mach dich lang“, sagte sie, hakte sich mit den Beinen in zwei von den Griffen fest, die überall aus der Wand ragten, nahm die gewichtslose I-ren und drehte sie langsam entgegengesetzt zur Drehung der Rakete. Im Licht der Helmleuchte, die sie dazu eingeschaltet hatte, bot sich eins der alptraumhaft scheinenden Bilder, wie sie unter den Bedingungen der Schwerelosigkeit immer wieder auftreten: Nadja jonglierte mit kleinsten, sparsamsten Bewegungen die sich in der Luft drehende Gefährtin. „Jetzt mußt du dich so weit zusammenrollen, bis du das Gefühl hast, daß du dich nicht mehr drehst. Durch den gleichbleibenden Drehimpuls wird deine Bewegung schneller, je kleiner dein Radius wird. Ich passe auf, daß du dich nicht stößt. Zieh zunächst ein bißchen Knie und Oberkörper an!“
    Duncan, der zu Beginn seiner Arbeiten den Helmfunk ausgeschaltet hatte, meldete sich jetzt wieder. „Seid ihr fertig?“
    „Gleich“, sagte Nadja.
    „Ich auch gleich“, antwortete Duncan und schaltete wieder ab.
    Die beiden Frauen spürten eine seltsame Art von Intimität. „Besser?“ fragte Nadja.
    „Schon besser“, antwortete I-ren, etwas mühsam noch, aber mit dem Versuch, frisch zu erscheinen. „Es ist gut“, sagte sie nach einer Weile, „halt mich wieder an.“
    Als die beiden Frauen nach vorn kamen, war Duncan eben mit seinen Berechnungen fertig. „Es ist alles ein bißchen über den Daumen gepeilt, aber trotzdem – wir haben ziemliches Glück gehabt. Wir bewegen uns zwar von der Station fort, aber jedenfalls nicht auf die Venus zu. Und was das wichtigste ist: Unsere Drehung verläuft fast

Weitere Kostenlose Bücher