Ein Stern fliegt vorbei
dem Objekt X ausgewichen. Wenn wir also annehmen, daß sie aufeinander eingewirkt haben – wie denn?“
Kat, die etwas entfernt an ihrem Pult saß, stand auf und kam heran. „Wenn es nun doch ein Staubschwaden war? Dann ist die Sache nämlich erklärlich. Das Radarbild eines solchen Schwadens zeigt immer nur den Kern, wo die Konzentration am höchsten ist. Das genügt auch im allgemeinen, weil am Rande der Staub so dünn ist, daß er den Raumschiffen nichts ausmacht.“
Henner hob die Hände. „Es ist also so gut wie alles offen. Wie weit ist OR 2 mit dem Wrack?“
Kat ging an ihr Pult zurück. „Ist auf dem Rückweg.“
Kapitän Hellrath hob den Alarm auf und verteilte die Aufgaben entsprechend dem von ihm entwickelten Programm.
Am anderen Tag, als sie sich wieder zusammensetzten, lagen die Ergebnisse vor. Enttäuschend waren die Resultate der physikalischen Untersuchung: Der Antriebsteil der Rakete war völlig deformiert, es mußte eine ungeheure Hitze gewirkt haben, wahrscheinlich war auch ein Teil des Treibstoffs explodiert und hatte der Rakete den plötzlichen beschleunigenden Stoß gegeben. Sonst war nur eine dünne Schicht der Oberfläche in Mitleidenschaft gezogen, diese allerdings auf merkwürdige Weise. Sie war blasig und zerfetzt wie die Haut eines Menschen, der Sonnenbrand hat, und stark radioaktiv. Genaue Rückschlüsse auf Art und Menge der wirkenden Energie waren nicht möglich.
Überraschung aber war das Ergebnis der chemischen Analyse. Es wurde festgestellt, daß sich auf der zerfetzten Schicht der Außenhaut von OR 1 alle Elemente des periodischen Systems samt ihren Isotopen ein Stelldichein gaben.
Nachdem jeder noch einmal für sich die Analysen studiert hatte, sagte Yvonne: „Ich glaube, ich kann meinen Gedankengang von gestern jetzt zu Ende bringen.“ Sie stand auf, und, leicht ins Dozieren geratend, fuhr sie fort:
„Also – aus dem Zusammenwirken des stark verdünnten Randes von Objekt X und der Rakete entstehen eine außerordentliche energiereiche Strahlung und eine Kernumwandlung der Atome. Dabei ist es für die Reaktion offenbar völlig gleichgültig, ob es sich um die Atome der Metallegierung der Außenhaut oder zum Beispiel um das Quarzglas der Frontfenster handelt. Wenn aber die Art der beteiligten Atome gleichgültig ist, dann kann es sich nicht um Reaktionen zwischen Atom und Atom handeln, denn Atome sind immer konkret und haben ganz verschiedene, klar differenzierte Reaktionen miteinander. Es muß sich also um Reaktionen von Elementarteilchen handeln. Noch einen Schritt weiter: Was für Reaktionen müssen das sein? Erstens – sie müssen einen hohen Betrag an Strahlungsenergie liefern. Zweitens – da es sich nicht um einzelne, sondern um massenhaft auftretende Reaktionen handelt, dürfen es wiederum keine spezifischen Reaktionen zwischen einzelnen Arten von Elementarteilchen sein, sondern Reaktionen zwischen zwei großen Gruppen, und da ist bisher nur eine Reaktion bekannt, die diese Bedingungen erfüllt…“
„Teilchen und Antiteilchen!“ rief Henner.
„Das hieße“, fiel Lutz ein, „daß unser Objekt X aus Antistoff bestehen muß.“
Yvonne nickte stumm.
„Phantastisch!“ murmelte Henner. „Aber wenigstens eine Hypothese, die sich überprüfen läßt.“
Und er entwickelte sofort praktische Gedanken für ein Experiment. Eine bestimmte kleine Menge homogener Materie, in das Objekt X eingeführt, müßte, wenn die Hypothese stimmte, völlig zerstrahlen. Die angegebene Strahlungsenergie war aber, wenn man Zeitpunkt und Ort kannte, und das kannte man ja bei einem Experiment, leicht aus der Ferne zu ermitteln. War das Ergebnis der Messungen mit dem errechneten identisch, dann, dann… dann konnte man das Experiment, um ganz sicherzugehen, noch einmal mit einem anderen Stoff wiederholen, und dann… Aber jetzt erst einmal das Experiment. Ein Aluminiumpfropfen von genau tausend Gramm wurde in ein Rohr vor eine gelinde Treibladung gesteckt. Diese primitive Kanone wurde außen längsseits an OR 2 montiert und so justiert, daß man mit den Navigationsgeräten der Rakete zielen konnte. Da auf diese Weise zur Ausstoßgeschwindigkeit des Geschosses noch die Eigengeschwindigkeit der Rakete hinzukam, konnten relativ hohe Geschwindigkeiten erreicht werden.
Trotzdem war das Unternehmen nicht ungefährlich. Man wußte ja nun, daß der bewußte Schwaden – oder das Objekt X – bedeutend ausgedehnter war, als er sich auf dem Radarschirm abzeichnete; aber genau zu sagen,
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