Ein Stern fliegt vorbei
wo seine Grenze verlief, dazu war niemand in der Lage. Setzte man den Sicherheitsabstand, aus dem das Geschoß abgefeuert wurde, zu hoch an, bestand die Gefahr, daß der Schuß nicht ins Zentrum treffen, möglicherweise nicht die ganze Masse des Geschosses mit dem vermuteten Antistoff reagieren und folglich die vorbereitete Messung wertlos sein würde.
Man einigte sich auf das kleinstmögliche Risiko in beiderlei Hinsicht und tat noch ein übriges: Die Mechaniker verkleideten die bei diesem Experiment ohnehin wertlosen Frontscheiben der Operativrakete mit einem Vorbau von zwei Meter Schaumstoff und befestigten darauf eine Platte aus Foto-Elementen, die die geringsten Spuren von reagierenden Antistoff-Atomen „melden“ würden, so daß für die Rakete immer noch genügend Zeit zum Bremsen und Ausweichen blieb.
Inzwischen hatte die SIRIUS ihren festgelegten Platz verlassen und war dem Objekt X gefolgt. Dabei hatte sich auch gezeigt, daß dieses Objekt, seiner Bahn nach, nicht zum Feld gehören konnte.
Am Abend des zweiten Tages nach dem Unfall war es soweit, daß die OR 2 zum Experiment starten konnte. Sie folgte dem Objekt X auf dessen eigener Bahn.
Lutz und Kathleen Potter führten die Rakete zum Ziel. „Ich komme mir vor wie ein Taucher, der sich vorgenommen hat, einem Haifisch die Zähne zu putzen“, sagte Lutz. Kat mußte lachen, sagte dann aber doch: „Laß lieber das Visier runter, wir müssen bald da sein.“
„Gut“, sagte Lutz, und beide schlossen die Helme, was ein bißchen Zeit in Anspruch nahm, da sie die schweren Raumanzüge trugen. Sie waren kaum fertig damit, als Henners Stimme in ihren Helmen dröhnte: „Entfernung zur Schußposition fünftausend Kilometer. Erhöhen Sie die Beschleunigung!“
Auf dem Front-Radar erschien als schimmernder Punkt das Objekt X und wurde zusehends größer. Nach einigen Minuten bedeckte die milchige Scheibe bereits die Hälfte des Bildschirms. „Beschleunigung stop! Antrieb ausschalten!“ befahl die Stimme Henners. „Sie befinden sich jetzt tausend Kilometer vor dem Abschußpunkt. Ihre Geschwindigkeit beträgt das Fünffache der Geschwindigkeit des Objekts. In wenigen Minuten erreichen Sie die Abschußposition.“
„Achte du auf den Teilchenzähler“, sagte Lutz und legte die Hände auf die Tastatur. Mit leichten Griffen korrigierte er die Richtung der Rakete so, daß das Fadenkreuz des Frontradars auf die Mitte des Zielobjekts zeigte.
„Eine Teilchenreaktion!“ meldete Kat.
Mit angehaltenem Atem warteten sie. Dann: „Noch eine Reaktion!“ Aber da war schon die Stimme Henners: „Achtung, Sie befinden sich in 30 Sekunden in Schußposition!“
„Noch ein Teilchen! Noch eins! Ein Schauer!“ rief Kat.
Da drückte Lutz auf den Auslöser, es gab einen ganz leichten Ruck, und die Rakete begann sich zu drehen. Sie vollführte automatisch die vorher programmierte und an den Auslöser gekoppelte Kurswendung. Da setzte auch schon der Antrieb wieder ein, der jetzt ihren Flug bremste und die Entfernung vom Objekt X bald wieder vergrößern würde. Nun waren die ausgestoßenen Antriebsgase die beste Abschirmung gegen die Antiteilchen, so lange, bis die Rakete wieder den Einflußbereich des Objekts verlassen hatte.
Auch in der Zentrale der SIRIUS wurde die Auslösung des Schusses automatisch gemeldet. Eine Lampe leuchtete auf, Henner kontrollierte noch einmal den Abstand des Objekts zur SIRIUS und schaltete dann die Meßsysteme ein. Yvonnes und Henners Augen hingen gespannt am Radarschirm, auf dem das Objekt als runder Fleck und die OR 2 als leuchtender Punkt zu sehen waren. Und während der Abstand sich schon wieder vergrößerte, erschien in der Mitte zwischen den beiden eine leuchtende Spur, die immer heller wurde, in das Objekt selbst eindrang und dort einen intensiv weißen Kern erzeugte, der sich langsam ausbreitete, bis er innerhalb weniger Minuten etwa die Hälfte der Fläche des Objekts einnahm. Dann ließ das Leuchten nach. Langsam erlosch der Fleck.
Yvonne erhob sich. Henner jedoch sprach ins Mikrofon: „OR 2! Kehren Sie zur SIRIUS zurück! Das Experiment ist geglückt.“
Mit dem Abschluß dieses Experiments kehrte die Raumschiffbesatzung zum normalen Lebensrhythmus zurück. Die Wissenschaftler arbeiteten an der Auswertung der Meßergebnisse, die Navigatoren führten die SIRIUS an ihren festgelegten Platz zurück, die diensthabenden Funker begannen wieder Trümmerstücke zu zählen und zu registrieren, und Henner bereitete das Material
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