Ein Stern fliegt vorbei
rechtfertigen“, sagte Nadja fest. „Ich werde das im Rat beantragen.“
Duncan sah die beiden schräg von unten an, schwankend, in seinem Pessimismus halb besiegt. „Ihr seid wie die Händler, ich muß ja jetzt zustimmen, sonst kommt ihr noch mit dem Zehntausendfachen.“
VI
Der Rückflug der Expedition zur Erde, der im Mai des Jahres 80 begann, wurde eingeleitet durch ein großes Fest. Die drei Raumschiffe hatten die gleiche Formation eingenommen wie bei der Hinfahrt, und so bildete die Entfernung zwischen ihnen kein zeitliches Hindernis mehr für die Unterhaltung per Bildfunk – Unterhaltung diesmal im geselligen Sinn des Wortes: In allen drei Raumschiffen waren die beiden Seitenwände des Kulturraums zu großen Bildschirmen umgebaut worden, auf denen man die Räume der beiden anderen Raumschiffe sah, und es gab außerdem sogar Logen mit separater Bildfunkverbindung.
Das Fest begann mit einer Rede Henner Hellraths, die großen Beifall erhielt, und mit einer Rede von Ljubas Plüschlöwen, die noch viel mehr Beifall erhielt, weil zwar ihr Wortlaut völlig sinnlos war, aber aus witzig zusammengeschnittenen Sätzen Henners bestand, die als seine stehenden Redewendungen bekannt waren. Als der Löwe schließlich wie Henner mitten im Satz aufhörte, „äh!“ sagte, ein Glas Wasser ergriff und in den Rachen stürzte, brach ein unbeschreiblicher Jubel los. Die meist jungen Weltraumfahrer lachten aus vollem Halse, man trank einander zu, auch die wenigen älteren schmunzelten, und die kleine Tanzkapelle, die sich auf der WEGA gebildet hatte – nichts sollte heute aus der Konserve sein, nichts, auch nicht die Musik –, setzte mit einem Universo ein, dem leichten, schwebenden „Berufstanz“ der Kosmonauten.
Freilich war Ljuba zu klug, als daß sie ihren Ausbruch von Fröhlichkeit allein ihrem Einfall zugeschrieben hätte, aus dem Plüschlöwen Nero einen Festredner zu basteln. Diese plötzliche Entladung der Sinnenfreude, die sich ja auch in der Pracht der Dekorationen, im Schmuck der weiblichen Kosmonauten, im roten und goldenen Funkeln der Weine äußerte, hatte viele Quellen, und ihr Einfall hatte nur diese Quellen zum Strömen gebracht.
Da war vor allem die Freude darüber, daß sie ihre Aufgabe erfüllt und einen Weg zur Bekämpfung der Gefahr gefunden hatten, hier und da vielleicht sogar schon verbunden mit dem trügerischen Gefühl, daß nun das Schwerste geschafft sei. Eine Rolle dabei spielte sicher auch die Erleichterung, daß es nun zum heimatlichen Planeten zurückging, den ja niemand auf solche Weise lieben kann wie Raumfahrer, nämlich im Ganzen, als schimmernden Ball am Himmel, als Meer und Kontinent, als Pol und Äquator. Und wahrscheinlich wurde das alles noch gesteigert durch das ungewohnte Bild, das die Festräume boten – wiederholten sich doch infolge der gegenseitigen Fernsehübertragung die Bilder der drei Räume an den Wänden, so daß eine endlose Flucht von Zimmern entstand, die beiderseits in der Ferne verschwamm, scheinbar gefüllt mit einer tanzenden, wogenden, unzählbaren Menge von Menschen.
Die Kapelle spielte einen Tusch. „Und jetzt hören und sehen Sie den Tanz: Brautwerbung des Kosmonauten! Tanz, Choreographie und Komposition Kapitän Wladimir Schtscherbin.“
Der Kapitän erschien im Kosakenkostüm und tanzte die sich leidenschaftlich steigernde Dynamik russischer Folklore. Es waren die traditionellen Sprünge und Bewegungen, die jeder kennt und die trotzdem immer wieder Interesse und Beifall finden, eben weil sie Ausdruck von Kraft, Geschicklichkeit und Temperament sind – hier, wo alles nur halb so viel wog wie auf der Erde, allerdings mehr ein Ausdruck der Geschicklichkeit.
In der Schlußphase des Tanzes bewegte sich der Kapitän auf die Wand der SIRIUS zu, ging plötzlich auf das linke Knie nieder, neigte Oberkörper und Kopf und streckte die offenen Handflächen zur Wand hin –, nein, nicht nur zur Wand, jeder sah es: zu Kathleen Potter, die gerade an dieser Stelle stand – wenn auch in Wirklichkeit ein paar tausend Kilometer entfernt, aber daran dachte jetzt niemand.
Es zeigte sich, daß die Musik noch nicht zu Ende war: Sie setzte wieder ein, leise, weich, aber der Brautwerber rührte sich nicht von der Stelle. Sofort bildete sich ein freier Raum um Kat, und sie begann zu tanzen, ganz unrussisch natürlich, ohne Stampfen und Kopftuchschwenken, aber die Musik war auch gar nicht danach, sie drehte sich, schwebte – und dann winkte Wladimir
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