Ein Stern fliegt vorbei
und Me I-ren ihr verkündeten, daß sie, wie er sich ausdrückte, ihre Betten nebeneinander aufgeschlagen hätten. Nadja hatte sich wie vor den Kopf geschlagen gefühlt, das war auch aufgefallen, und so war der Besuch recht kurz ausgefallen.
In der ersten Enttäuschung war Nadja auf I-ren wütend gewesen, und sie war um so wütender geworden, je flehender die andere sie angesehen hatte. Später, wieder auf der Erde, hatte sie sich nüchtern gefragt, wie es denn anders hätte kommen sollen, da sie doch alles hatte laufen lassen, wie es eben lief; und sie hatte sich gesagt, daß jede andere Lösung ihres Dreieckproblems noch unerträglicher gewesen wäre, weil weder Duncan noch sie selbst ihre Arbeit hätten aufgeben können und weil man eben in ihrem Alter ständige Trennung nicht mehr so verträgt wie mit Zwanzig. Trotzdem war ein schales Gefühl in ihr zurückgeblieben, und der Gedanke an I-ren und Duncan rief seitdem jedesmal die peinliche Empfindung wach, mit der man sich an ein persönliches Versagen erinnert, obwohl es ihr je länger, je leichter gelang, diese Empfindung zu unterdrücken.
Diesmal aber empfand sie ernstlich Unruhe, und da der Gegenstand, über den sie mit ihm zu sprechen hatte, wichtig genug war, entschloß sie sich, ohne weitere Umstände nach Deutschland zu fliegen.
Während des Fluges studierte sie noch einmal die Botschaft der Expedition, aber dann, als sie ihre Unterkunft geregelt hatte und das Flugplatzhotel verließ, bemerkte sie, daß eine freundliche, gute Stimmung von ihr Besitz ergriffen hatte. Es war schon Abend, der Kongreßtag war beendet, sie hatte aber telefonisch im Kongreßbüro Duncans Adresse erfahren und eine Nachricht für ihn hinterlassen. Also bestieg sie eins der wartenden automatischen Kleintaxis, stellte auf dem Stadtplan des Zielwählers ihr Fahrtziel ein und schaltete auf langsame Fahrt.
Sie liebte diese schon etwas altertümlich anmutenden Städte, in denen der Verkehr immer noch in nur zwei Etagen lief – auf den Hochstraßen der Langstrecken- und parterre der Kurzstreckenverkehr, letzterer nur in den Kleintaxis, von denen überall, an jeder Straßenecke, ein halbes Dutzend herumstand. Hier gab es noch keine Rollstraßen, die großen Häuser waren noch schwer und massig aus Betonfertigteilen gebaut. Auf den Straßen standen von alters her Eichen, Buchen und Linden und noch nicht naturalisierte Palmen und andere tropische Gewächse, an die sich vielleicht kommende Generationen gewöhnen mochten als an ein Selbstverständliches; und von der Brücke, auf der sie den Fluß überquerte, dessen Name ihr im Augenblick nicht einfiel, hatte sie einen herrlichen Blick auf einen vorgeschichtlichen Dom.
Ihr Wagen hielt vor dem Portal eines mittleren Hotels, das nun schon wieder moderner aussah: im Stück gegossene, zehngeschossige Plastfassade mit enorm viel Glas, davor zwar keine Palmen, aber doch Riesenfarne; und trotzdem fügte es sich, wie sie zugeben mußte, ganz gut in die parkähnliche Landschaft.
Sie stieg aus und betrat die Hotelhalle. Den automatischen Portier fragte sie: „Professor Duncan Holiday?“ – „Ist im Hause“, kam die Antwort, „8. Stock, Zimmer 29, bitte fahren Sie hinauf, ich melde Sie inzwischen an.“
Als sie aus dem Fahrstuhl trat, sah sie sich I-ren gegenüber. Einen Augenblick zögerten beide, dann gaben sie sich die Hand.
„Bist du noch…“, setzte I-ren an zu fragen.
Nadja sagte ruhig: „Es ist gut so, wie es ist.“
Sie gingen den Gang hinunter. „Sei nett zu ihm, er ist in keiner guten Stimmung“, sagte I-ren noch, dann traten sie ins Zimmer.
Zunächst konnte Nadja von der angekündigten Stimmung nichts merken. Duncan begrüßte sie freundlich und mit seinem üblichen trockenen Humor, natürlich stand der Tee schon auf dem Tisch, und als sie saßen, war die erste Frage: „Neues von unseren Kosmonauten?“
„Ja“, sagte Nadja, „deshalb bin ich hier.“ Sie holte zwei Exemplare der Botschaft aus ihrer Tasche und gab sie Duncan und I-ren. Duncan machte erstaunte Augen, als er sah, wie sie I-ren die Botschaft gab, aber Nadja erklärte: „Ab morgen wird die Sache sowieso publiziert.“
Er nickte nachdenklich und sagte zu I-ren: „Du wirst jetzt etwas lesen, das – na ja, also einiges davon ist mir seit dem Empfang der Botschaft von der Proxima Centauri bekannt. Ich durfte es dir nicht sagen, alle Eingeweihten waren vom Weltrat zum Schweigen verpflichtet. Du wirst das verstehen. Und du wirst nun auch verstehen, was
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