Ein Stern fliegt vorbei
Spektralfarben bedeckten unverändert die ihnen zugeordneten Sektoren des Kreises – alles in Ordnung.
Da bemerkte er, daß an der Bereitschaftsskala ein Lichtstreifen flackerte. Er streifte die Kopfhörer über und sprach in das Mikrophon: „Radargruppe! Was ist los?“
„Kathleen Potter fehlt. Sonst einsatzbereit.“
„Suche übernimmt Einsatzgruppe. Arbeiten Sie nach Alarmplan!“
Die Stöße waren heftiger geworden und folgten schneller aufeinander.
„Übernimm die Einsatzgruppe und such die Potter“, rief Henner Lutz zu und forderte dann den diensthabenden Piloten auf zu berichten.
Während der Pilot, es war Sandor Nagy, den Lutz beim Fest vergebens aufzuheitern versucht hatte, seinen Bericht gab, wonach er auf dem vierten Farbkreis, dem des Orientierungssystems, Störungen bemerkt und deshalb sofort Alarm gegeben hatte, starrte Lutz erschrocken auf den vierten Kreis: ein Sektor war erloschen. Und er wußte, ohne nachzusehen, daß es Kats Sektor war. Ihr Sender hatte aufgehört zu arbeiten. Das hieß, daß er zerschlagen oder sonst irgendwie zerstört war. Vermutlich hatte sie die Station nicht rechtzeitig erreicht und war von den Stößen überrascht worden, und jetzt wurde sie hin und her geworfen, hatte keine Kraft mehr, sich festzuhalten, war vielleicht gar nicht mehr bei Bewußtsein.
„Achtung, Einsatzgruppen 1 bis 6!“ rief Lutz die gleichmäßig über den Ringkörper verteilten Reparatur- und Rettungstrupps. „Von jeder Gruppe sucht ein Mann Kathleen Potter im Abschnitt der Gruppe! Ich selbst übernehme ihr Zimmer.“
Er streifte die Kopfhörer ab, setzte den Schutzhelm auf und löste die Sicherungsgurte, die ihn auf seinem Sessel festhielten. Geschickt paßte er einen antriebsfreien Moment ab und schnellte mit einem gewaltigen Satz zur Tür. Er konnte gerade die U-förmigen Griffe packen, als ein neuer Stoß das Schiff erschütterte. Er nutzte den Schwung aus, drückte mit dem Fuß auf den Öffner und ließ die Griffe los, so daß er in den Mittelgang geschleudert wurde. Seltsame Geschichte! dachte er. Wo sollen denn hier Meteoriten herkommen? Aber er verscheuchte den Gedanken sofort, so wie er die ganze Zeit schon die Gedanken an Yvonne und ihren Zustand unterdrückt hatte, und konzentrierte sich auf seine Aufgabe: die Kabine von Kat zu erreichen.
Während Lutz sich unter ständigen Stößen des Triebwerks, die nach Richtung, Stärke und Zeitpunkt ganz und gar unvorhersehbar waren, durch den Mittelgang vorarbeitete, starrte Henner auf den vierten Farbkreis, den des Orientierungssystems, und wunderte sich. Eben breitete sich der rote Sektor über den halben Kreis aus, plötzlich schrumpfte er wieder zusammen, dafür wuchs der blaue – das mußte ja ein ganzes Feld von Meteoriten sein, in das sie da geraten waren! Nun, die Automatik würde sie schon herausführen, er hatte jetzt Wichtigeres zu tun, er mußte sich schließlich auch um die anderen Raumschiffe kümmern.
Da leuchtete auch schon das Ruflicht der WEGA auf, gleich danach das der ATAIR. Henner schaltete ein. „Hier SIRIUS, Kapitän Hellrath.“
„Was ist bei euch los? Warum torkelt ihr denn wie ein welkes Blatt im Wind?“
Für einen Augenblick verschlug es Henner die Sprache. Wie war das möglich? Die andern mußten den Schwarm doch auch bemerkt haben!
Lutz war es gelungen, ohne nennenswerte Schäden bis vor Kats Kabinentür zu kommen. Eine schmerzhafte Beule am Schienbein und eine kleine Prellung an der Seite hatte der Weg gekostet. Im Augenblick hatte das Raumschiff eine ziemlich konstante Beschleunigung in Flugrichtung, das erleichterte seine Aufgabe. Die Kabinentür war unmittelbar über ihm. Er reckte sich hoch – aber die Tür setzte seinem Versuch, sie aufzuschieben, Widerstand entgegen.
Lutz hörte, daß jemand den Gang entlang kam. „Hierher!“ rief er. Miguel war es, eingesetzt von der benachbarten Gruppe. „Wir müssen außen herum, durch das Fenster. Die Tür geht nicht auf, es ist möglich, daß sie darauf liegt. Schnell!“
Sie schoben die Tür des benachbarten Zimmers auf. Der Antrieb war nicht allzu stark, sie wogen nur ungefähr ein Drittel ihres normalen Gewichts und waren mit einem Satz am „Fenster“, an der der Außenwand des Raumschiffs zugekehrten Kabinenöffnung, die nicht nur für die Simulierung irdischer Wetterverhältnisse, sondern auch für den Notfall als zweiter Kabinenausgang gedacht war. Sie kletterten in die etwa ein Meter tiefe Rundung, zerschnitten die aus Plastfolie
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