Ein Stern fliegt vorbei
Schtscherbin den anderen zu, und alle tanzten wieder mit. Niemand bemerkte, daß beide sich aus der wogenden Menge davonstahlen, jeder in eine der Logen, von denen aus sie ungestört miteinander sprechen konnten.
Nur Yvonne sah flüchtig, daß Kat Tränen auf dem Gesicht hatte, als sie vorbeiging, aber sie ruhte zu sicher in sich selbst und in ihrem neuen Glück, als daß sie mehr darin hätte sehen können als eine augenblickliche Gemütsbewegung.
Yvonne und Lutz saßen an einem Tisch mit Ljuba und Miguel, aber natürlich tanzten die letzteren beiden ständig, während Yvonne und Lutz sich mit Genuß dem Betrachten hingaben.
„Wir sind nicht die einzigen, die zuschauen“, sagte Yvonne lächelnd. „Sieh mal dort!“ Sie zeigte mit den Augen zu einem etwas entfernteren Tisch hinüber. Lutz folgte ihrem Blick und sah Sandor Nagy, einen der Piloten, der den Kopf in die Hand gestützt hielt und mit ausdruckslosem Gesicht auf die Tanzfläche starrte. „Bitte ihn zu uns, wenn’s dich nicht stört“, sagte Yvonne.
Lutz griff zum Tischtelefon und wählte Sandors Tischnummer, aber der Pilot rührte sich nicht.
Lutz blickte Yvonne fragend an; sie nickte leicht. Da stand er auf und steuerte durch das Gewirr der Tische und Stühle auf Sandor Nagy zu. Yvonne sah, wie er sich dort am Tisch niederließ und auf den Piloten einsprach, aber dessen einzige Antwort schien ein leichtes Kopfschütteln zu sein. Lutz stand auf, zuckte mit den Schultern und kam zurück.
„Ich glaube, er hat gar nicht verstanden, was ich wollte“, berichtete er. „Wer weiß, wo er in Gedanken war.“
„Vielleicht hat er Liebeskummer?“ vermutete Yvonne.
„Kaum. In dem Fall verschlingt der Mensch die Quelle seiner Leiden mit den Augen. Er sah aber niemand an, ich glaube, er sah überhaupt nichts Bestimmtes, er wirkte so – so nach innen getunkt.“
Beide schwiegen. Dann sagte Yvonne: „Das scheint aber ansteckend zu sein. Jetzt siehst du genauso aus. Macht dir die Geschichte Sorgen?“
„Na eben“, erwiderte Lutz, mehr auf Yvonnes Ton als auf ihre Worte eingehend. „Warum soll nicht mal einer vor sich hin brüten. Und trotzdem – weißt du was? Ich habe so ein Gefühl, als müsse jeden Augenblick etwas passieren. Das Gefühl habe ich in der letzten Zeit öfter. Das geht mir hier alles zu glatt. Wir machen einen ungeheuren Sprung nach vorn, durch die Umstände gezwungen – und alles läuft so reibungslos ab wie eine Reise zum Mond. Das widerstrebt mir, ich erwische mich dauernd dabei, daß ich warte: Na, wann kommt es denn nun? Jetzt? Nachher? Morgen? Die Natur gibt ihre Geheimnisse nicht kampflos her.“
„Das kommt darauf an“, erwiderte Yvonne sanft.
„Worauf?“
„Auf den, der sie fordert. Die Natur ist doch eine Frau – hast du das vergessen?“
„Dann kannst du auch sagen, die Natur ist unsere Mutter, und sie wird uns bald mal ein paar Ohrfeigen versetzen, weil wir uns über ihr Eingewecktes hermachen. Das ist natürlich alles Unfug, aber Tatsache ist, daß ich unruhig bin. Na egal – wie geht’s unserm Sohn?“
„Unserer Tochter geht’s prächtig“, sagte Yvonne und legte eine Hand auf ihren Leib. „Ich versteh mich ausgezeichnet mit ihr. Grüble du nur, wir haben uns genug zu erzählen.“
Sie war ein Turm an Zuversicht, und ihre Ruhe ging auch auf Lutz über. Aber ganz verdrängen ließ sich die Sorge nicht, und im Hintergrund blieb die Frage, leise bohrend, von woher Störungen kommen könnten, und was zu tun sei, um ihnen rechtzeitig zu begegnen.
Wenige Wochen vergingen, da beantworteten die Ereignisse selbst diese Frage.
Die Klingeln auf der SIRIUS schrillten lang-lang, lang-lang, langlang: Meteoritenalarm! Die dienstfreien Besatzungsangehörigen liefen durch den Mittelgang zu ihren Stationen, und zwar gleichgültig, wo diese lagen, alle entgegengesetzt zur Drehrichtung, weil sie dadurch einen Teil der Zentrifugalkraft aufhoben und so bedeutend leichter und schneller waren.
Henner Hellrath und Lutz stürzten in die Zentrale. Sie konnten gerade noch ihre Plätze einnehmen und sich anschnallen, als der erste Ruck durch das Raumschiff ging: Der Autopilot begann mit Kursänderungen. Gleichzeitig spürten sie, wie ihr Gewicht abnahm. Die Drehung des Ringkörpers wurde gebremst, um die Manövrierfähigkeit zu erhöhen.
Henners Blick fiel sofort auf den ersten Farbkreis auf seinem Pult, der mit Hilfe eines kleinen Senders, den jeder am Handgelenk trug, das Befinden der Besatzung registrierte. Die
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