Ein Stern fliegt vorbei
die, vom Modell ausgehend, errechnet wurden, tatsächlich noch nicht registrierte Schwärme oder Körper.
Damit war aber das wichtigste möglich geworden, das Ziel der Expedition erreicht: die Vorausberechnung der Ereignisse, die beim Durchgang des Feldes durch das Sonnensystem eintreten würden. Das Modell sagte aus: Das Feld würde das Sonnensystem wieder verlassen, seine Geschwindigkeit war zu groß, um eingefangen zu werden, aber es würde sich auseinanderziehen. Erde, Mond und Mars würden in die Gefahrenzone kommen.
Der Rat der Expedition trat in die Generaldebatte ein. Es war notwendig, an Ort und Stelle Wege zur Beseitigung der Gefahr auszuarbeiten; an Ort und Stelle deshalb, damit bei auftauchenden Unklarheiten Tatsachen und Probleme sofort überprüft werden konnten. Das Feld durch Strahlungsdruck aus dem Kurs drängen? Eine einfache Rechnung ergab, daß man dazu über 20 Jahre lang, auf engstem Raum konzentriert, einen Strahlungsfluß erzeugen mußte, der der gesamten Strahlung der Sonne entsprach.
Es gab nur einen Weg: Sprengen. Wenn es gelänge, die Planetoiden und auch die mittleren Bruchstücke rechtzeitig, das heißt innerhalb von fünfzehn Jahren, zu sprengen, würde zwar der Schwerpunkt des Feldes zwischen Mars und Erde durch das Sonnensystem gehen, aber die Masse hätte sich bis dahin schon so weit im Raum ausgebreitet, daß nur ein winziger Prozentsatz überhaupt auf das Sonnensystem träfe. Und die mit den Holidayschen Entdeckungen zur Verfügung stehenden Energien müßten für solche Sprengungen reichen. Natürlich gab es dabei noch viel zu berechnen und zu prüfen, und häufig wurde die Beratung unterbrochen, um den Mathematikern Gelegenheit zu einer Kontrolle zu geben.
Henner und Lutz nutzten eine solche Pause, um auf einem der Planetoiden, die bisher nur von automatischen Radarsatelliten beobachtet, vermessen und kartographiert worden waren, für kurze Zeit zu landen. Aber es sah dort nicht viel anders aus, als man es von der Mondoberfläche her gewohnt war. Die Geologen nahmen sogar eine Probebohrung vor, aber auch dabei war die Ausbeute nicht sehr interessant. Das auffallendste war noch die schnelle Rotation der meisten Planetoiden.
Der Planetoid 1 zum Beispiel, auf dem sie gelandet waren, brauchte für eine Umdrehung nur dreieinhalb Stunden – eine Erscheinung, für die niemand eine Erklärung fand.
Und dann, als endlich alles geprüft war, bestätigte der Rat der Expedition eine von Lutz entworfene Botschaft an die UKKA und den Weltrat, die den Sachverhalt schilderte und mit den Worten schloß: Der Rat der Expedition schlägt vor, mit der Publikation des Sachverhaltes gemäß vorliegendem Plan zu beginnen und gleichzeitig einen langfristigen Plan zur Bekämpfung der kosmischen Gefahr auf der Grundlage unserer Vorschläge auszuarbeiten.
Und in der gleichen Sitzung beschloß der Rat: Die Expedition hat ihre Aufgabe erfüllt und kehrt zur Erde zurück.
Bei den wenigen Eingeweihten auf der Erde rief die Botschaft der Expedition Erleichterung und emsige Betriebsamkeit hervor. Der Weltrat beschloß, mit der Veröffentlichung der bis dahin geheimgehaltenen Zusammenhänge zu beginnen, und Nadja Iwanowna Shelesnowa ließ gleich nach der Ratssitzung eine Bildfunkverbindung zu Duncan Holidays Forschungsstation im Venusschatten herstellen, weil ja nun das Energieprogramm die, Schlüsselposition bei der Lösung der gesamten Aufgabe einnahm. Die Menge an Energie, die gebraucht wurde, ließ sich – wenigstens von der Größenordnung her – jetzt abschätzen. Alles Weitere hing davon ab, in welcher Form und innerhalb welchen Zeitraums man die Energie zur Verfügung haben würde.
Aber sie erfuhr bei ihrem Anruf nur, daß die Station zur Zeit rekonstruiert würde und daß Duncan Holiday auf der Erde sei, und zwar in einer Stadt in Deutschland namens Magdeburg, wo er als Ehrengast an einem wissenschaftlichen Kongreß aus Anlaß irgendeines runden Todestages eines alten Physikers namens Otto von Guericke teilnehme. Nadja wunderte sich ein bißchen, denn sie wußte, daß Duncan sonst ein erklärter Gegner solcher Kongresse und erst recht solcher Ehrengastlichkeiten war. Das machte sie unruhig, weil sie zugleich ein schlechtes Gewissen hatte gegenüber Duncan und auch vor sich selbst. Sie hatte ihn vor einem halben Jahr zum letztenmal gesehen, und ihr Abschied war zwar nicht kalt und feindselig gewesen, aber doch voller unausgesprochener Entfremdung, wenigstens von ihrer Seite, damals, als er
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