Ein Stern fliegt vorbei
der eigentliche Sinn unserer Arbeit ist und warum ich seit Monaten so unruhig bin.“ Dann begannen sie beide zu lesen.
Nadja beobachtete I-ren. Die kleine Chinesin wurde, nachdem sie die Präambel gelesen hatte, in der noch einmal die Gesamtbewegung des Feldes präzisiert war, grau im Gesicht. Nadja stand auf, legte ihr die Hände auf die Schultern und flüsterte: „Nimm dich zusammen, es ist alles halb so schlimm, lies weiter, und du wirst sehen!“ Das half. Je weiter sie im Bericht kam, um so zuversichtlicher wurde I-rens Miene.
Aber dann sah Nadja zu Duncan hinüber, und in dessen Gesicht sah sie steile Sorgenfalten und um seinen Mund einen bitteren Zug, den sie noch nie beobachtet hatte, auch früher nicht.
„Es hängt also jetzt alles von uns ab“, sagte I-ren, als sie fertig war mit Lesen, mehr feststellend als fragend.
„Ja!“ antwortete Nadja einfach, bestimmt und ein wenig fordernd.
I-ren atmete tief. „Wir werden es schaffen“, sagte sie dann. „Nicht wahr, Duncan, wir werden es schaffen!“
Aber Duncan schwieg, die Lippen zusammengepreßt, mit fast bösem Gesicht.
„Was meinst du?“ fragte Nadja ihn leise.
Duncan verzog sein Gesicht, stand auf und lief hin und her. I-ren warf Nadja ab und zu einen bedeutungsvollen Blick zu, während er nun berichtete: „Weißt du, es ist wahrscheinlich blödsinnig, aber ich habe in der letzten Zeit fast das Gefühl, wir haben uns übernommen. Yvonnes Model! hat uns einen großen Schritt vorwärtsgebracht, aber es ist nun schon wieder überholt, und wir treten auf der Stelle. Ach, Unsinn, wir treten natürlich nicht auf der Stelle, wir forschen systematisch, aber wir forschen in vielen Richtungen, nach allen Seiten gleichmäßig, nach der Methode Trial and error, Versuch und Irrtum, und ein Schritt, der uns früher eine Woche gekostet hat, kostet jetzt ein halbes Jahr. Wir können eine Kettenreaktion hervorbringen, aber wir kommen seit anderthalb Jahren nicht darüber hinaus. Sicher, das ist alles kein Grund zum Verzweifeln, und man soll nichts auf Gefühle geben, aber manchmal habe ich trotzdem das Gefühl, wir sitzen auf dem falschen Dampfer.“ Er schwieg einen Moment und sagte dann fast grob: „Rate, warum ich mich hier herumdrücke!“
Er wartete einen Moment und gab dann selbst die Antwort: „Um mich an den Erfolgen anderer zu berauschen. Um mir Optimismus einzukaufen. Und so was nennt die Welt Ehrengast!“ Er schwieg wieder, nahm dann den Bericht der. Expedition zur Hand. „Fünfzehn Jahre. Zehn davon muß man abziehen für Produktion, Transport und Einrichtung, zehn Jahre mindestens – bleiben für die Forschung fünf Jahre.“ Er lachte bitter. „Lächerlich!“
I-ren fiel ihm ins Wort. „Du wirst es schaffen“, sagte sie, fast beschwörend, und verbesserte sich, als sie sein Gesicht dann sah: „Jaja, ich weiß, wir werden es schaffen. Du mußt daran glauben!“
Er hielt sich die Ohren zu. „Ich kann das nicht mehr hören! Ja, das ist mein Kind, aber bring mir einen oder bring mir ein Dutzend, die bessere Väter sind, und ich gehe freiwillig ins Altenteil. Ich bin nicht besorgt, weil es sich um meine Idee handelt, das solltest du doch nach diesem Bericht nun wirklich begreifen. Ich will nicht, daß irgend jemand an mich glaubt, zu allerletzt ich selber!“
Er hatte das heftig gesagt, und Nadja sah, daß I-ren dem Weinen nahe war. Er entschuldigte sich für seine Heftigkeit und fuhr ruhiger fort: „Kein Mensch kann sagen, ob die Forschungen, die wir jetzt durchführen, uns der Beherrschung dieser Kräfte näher bringen, und schon gar nicht, wann. Das ist es. Bei dieser Art der Untersuchung kann man morgen auf eine entscheidende Tatsache stoßen – oder in fünfzig Jahren. Das ist es. Und wenn wir diese verdammte Situation nicht hätten, daß wir das Zeug brauchen, innerhalb einer bestimmten Zeit brauchen, dann wäre ich der glücklichste und zufriedenste Mensch der Welt.“
Er setzte sich wieder hin und fuhr mit der Hand durch das Haar.
„Und wenn ihr die Experimente quantitativ vergrößert?“ fragte Nadja. „Vielleicht auf das Zehn- oder Hundertfache? Irgendwann muß doch die Quantität mal in Qualität umschlagen!“
„Ja eben“, antwortete Duncan, „irgendwann!“
„Aber wenigstens“, schaltete I-ren sich ein, „würde das die Chancen auf das Zehn- bis Hundertfache erhöhen. Die Tatsachen dort“, sie zeigte auf den Bericht, „rechtfertigen das völlig.“
„Sie würden auch den tausendfachen Aufwand
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