Ein Stern für Lou - Die Popkörner ; [1]

platten Rad.
    »Guten Morgen, Cherie!«, winkte sie Motte kurz zu, ging zu Lou und gab ihr zwei Küsse.
    »Was ist denn mit deinem Rad passiert, Cherie? Bist du durch Glas gefahren?«
    Cherie? Seit wann war bitte Louise »Cherie«?
    »Keine Ahnung«, sagte Lou. »Vielleicht waren die Reifen mürbe. Aber wir müssen jetzt zur Schule und ich weiß echt nicht, wie ich hinkommen soll.«
    Nun legte Grandmère Louise auch noch den Arm um die Schulter. »Ich muss heute früh sowieso in die Stadt. Komm, ich nehm dich mit.«
    »Das ist super. Danke! Ich kann Ma doch nicht wecken. Sie kommt gerade aus der Nachtschicht…«
    »Pas de problèmes. Stell dein Fahrrad ab. In fünf Minuten sind wir in der Schule.«
    Und was war mit ihr? Motte schnappte nach Luft. Wollte Grandmère sie nicht fragen, ob sie auch mitfahren wollte? Aber ihre Großmutter schien nur noch Augen für ihre Cousine zu haben! Seite an Seite gingen die beiden zu Grandmères blauem Auto.
    Wütend machte Motte kehrt und schmiss ihr Rad in die Hecke. Sie konnte unmöglich zulassen, dass Louise mit Grandmère allein fuhr.
    »Warte! Ich komme mit!«
    Grandmère hielt ihr die hintere Tür auf. »Sehr gern. Zusammen ist es doch auch viel schöner.«
    Pah, dachte Motte und starrte auf den Beifahrersitz. Das war ihr Platz! Und nun saß Louise dort und bewunderte den kleinen Eiffelturm, den Grandmère an den Rückspiegel gehängt hatte. »Der ist ja niedlich. Ist das nicht der Eiffelturm?«
    »Nein, das ist das Empire State Building«, grummelte Motte von der Rückbank.
    Grandmère fuhr los.
    »Blödsinn! Das steht doch in New York«, widersprach Lou.
    »Och, du bist ja echt eine Blitzmerkerin«, sagte Motte.
    Im Rückspiegel trafen sich Grandmères und Mottes Augen. Plötzlich hatte Motte das Gefühl, dass Grandmère jeden ihrer Gedanken lesen konnte, und sie sah schnell weg.
    »Wer weiß«, sagte Grandmère, »vielleicht fahren wir drei ja eines Tages gemeinsam nach Paris, wenn ihr zwei etwas… etwas älter seid.«
    »Das wäre wunderbar!«, rief Lou begeistert.
    Eher fällt der Eiffelturm um, als dass ich mit der da nach Paris fahre, dachte Motte und schwieg, bis sie die Schule erreichten.

9. Song

    Leichtfüßig lief Motte die Stufen zu Grandmères Wohnung hinauf. Ihr Plan, sich Louise vom Hals zu halten, hatte bis auf diese dumme Panne am Mittwoch wunderbar funktioniert. Jeden Morgen hatte ihre Cousine vorne am Tor gestanden und auf sie gewartet. Und jeden Morgen war sie, genau wie Motte es geplant hatte, allein losgefahren. So war Motte an diesem Samstagnachmittag in Hochstimmung, als sie an Grandmères Tür klopfte.
    »Oui?«
    »Ich bin’s«, sagte Motte und trat ein.
    Es war alles genau wie immer. Grandmère hatte einen kleinen Imbiss vorbereitet, im Hintergrund lief der französische Radiosender und auf dem niedrigen schwarzen Tisch im Wintergarten stand die dunkelgrüne Scrabbleschachtel. Grandmère strich Motte eine lange Haarsträhne aus dem Gesicht und gab ihr einen Kuss auf die Wange.
    »Spielen wir Deutsch oder Französisch?«
    Motte ließ sich in den zweiten Korbstuhl plumpsen. »Deutsch. Ich möchte einfach nur scrabbeln.«
    Grandmère nickte verständnisvoll. »Du hattest ja auch eine sehr turbulente Woche«, sagte sie und sah Motte über den Rand ihrer Milchkaffeeschale forschend an.
    Motte wich ihrem Blick aus. Hatte Grandmère etwa alles mitgekriegt? Schnell nahm sie die Bänkchen und den Beutel mit den Spielsteinen aus dem Karton. »Na ja«, sagte sie ausweichend und zählte sich ihre acht Steine ab. Das war jetzt wirklich das Letzte, worüber sie mit Grandmère sprechen wollte. Aber zum Glück fragte ihre Großmutter nicht weiter nach und sie begannen zu spielen. Motte hatte richtig gute Buchstaben gezogen. Zuerst legte sie Docht (Wert: 13 Punkte), dann Reh (Wert: 8 Punkte) und in der nächsten Runde wurde sie sogar ihr blödes Z los. Während sie wartete, dass Grandmère ihr nächstes Wort legte, fiel ihr plötzlich auf, was für seltsame Worte Grandmère bisher gelegt hatte: In der Mitte des Spielbretts hatte sie Dunkles gelegt (Wert: 10 Punkte). In der Senkrechten unter dem L stand Lachen (Wert: 13 Punkte) und nun legte sie quer an das letzte E einsam (Wert: 22 Punkte) an. Dunkles Lachen einsam , las Motte noch mal still für sich. Angestrengt sah sie nun auf ihre Buchstaben. Was sollte sie darauf antworten? Schließlich fügten sich ihre Steine zum nächsten Wort: STOP. Abwartend, wie Grandmère reagieren würde, schob sie einen Stein nach