Ein Stern für Lou - Die Popkörner ; [1]
die letzten Takte von Chopins Grande Valse Brillante in a-Moll. Zum ersten Mal gelang er ihr fehlerfrei, und als sie die Hände nach dem letzten Akkord von den Tasten nahm, hörte sie hinter sich ein wohliges Seufzen. »Ausgezeichnet gespielt, Karlotta«, sagte Frau Jacobi mit einem Lächeln und streichelte Motte über das Haar. Motte schloss die Augen und sog den Moment tief in sich ein. Hatte sich das ganze verdammte Üben endlich mal gelohnt!
»Siehst du, du kannst es, wenn du nur genug an dir arbeitest«, fügte Frau Jacobi hinzu.
Motte verkniff sich ein Grinsen. Tja, kein Lob ohne Ermahnung – so war ihre Mutter.
»Wenn du eine berühmte Pianistin werden willst…«, hob Frau Jacobi an.
»Was ich bekanntermaßen nicht will«, bemerkte Motte lakonisch.
Ihre Mutter lächelte weiter. »In deinem Alter weiß man eben noch nicht, was man will! Du…« Ein Klopfen an der Tür unterbrach sie mitten im Satz. Irritiert sah sie zur Tür. »Ja bitte.«
Die Tür ging auf und Lou trat ein.
Motte klappte der Mund auf. Hatte sie Visionen oder war das ihre Cousine? Die Nachmittagssonne brachte das Strasskostüm zum Glitzern und mit ihren hohen Absätzen war Lou fast so groß wie ihre Mutter.
»Hey, Motte! Hallo, Tante Vanessa«, begrüßte Lou sie und kam mit klackernden Schritten auf das Klavier zu.
»Ha… hallo«, brachte Motte heraus. Sie war so fasziniert von Lous irrer Aufmachung, dass sie glatt vergaß, wie blöd sie ihre Cousine eigentlich fand.
»Wir haben Mas alten Bandkoffer wiederentdeckt!«, begann Lou zu erzählen. »Mit Wahnsinnssachen drin.« Sie zeigte an sich herunter. »Bühnenkostüme, Schuhe und sogar die alten Songbooks von ihr sind noch da! Hast du nicht Lust, mit rüberzukommen und es dir anzuschauen?«
Die Mädchen sahen sich in die Augen. Motte zögerte. Lou konnte sehen, wie hin- und hergerissen ihre Cousine war. »Es gibt auch ein Kostüm für dich«, fügte sie beiläufig hinzu.
Die Aussicht, so ein geniales Teil anzuziehen, musste doch jeden vom Hocker reißen!
Und nun kam wirklich Bewegung in Motte. Sie war schon halb von ihrem Klavierhocker aufgestanden, als Tante Vanessa ihre Sprache wiederfand. »Halt! Hiergeblieben«, sagte sie. »Karlotta, du hast noch ein Stück für deine nächste Stunde vorzubereiten.«
Mottes Kopf fuhr herum. »Was!? Du hast doch gesagt, ich habe gut gearbeitet!«
»Das heißt aber nicht, dass du schon fertig bist«, erwiderte ihre Mutter.
Mist, da zog wohl die nächste Motte-Tante-Vanessa-Sturmfront auf. Lou versuchte, sich bemerkbar zu machen. »Es wäre ja nur für eine halbe Stunde.«
Weder Motte noch ihre Tante sahen in ihre Richtung.
»Das heißt, ich darf nicht gehen?«, fragte Motte und stellte sich kerzengerade hin.
»Nein.«
Motte schmiss den Klavierdeckel zu, dass es krachte. »Das wirst du bereuen!«, schrie sie und rannte aus dem Zimmer. »Nie lässt du mich das machen, wozu ich Lust habe!«
Für eine Minute war es ganz still im Musikzimmer der Jacobi-Villa. Lous Tante massierte sich die Schläfen. »Ich bin ganz ruhig. Ich bin ganz in meiner Mitte.«
Lou hob die Hand. Ein paar der Strasssteine klimperten leise aneinander. »Ich… ich geh dann mal wieder. Äh, schönen Nachmittag noch.« So etwas nannte man wohl Komplettreinfall! Wie beim Monopoly. Gehe ins Gefängnis! Begib dich direkt dorthin! Ziehe kein Taschengeld ein. Lou würde also keine Noten lernen. Sie würde keine Musik machen und mit Motte keine tollen Kostüme anprobieren. Und trotzdem jubelte in Lous Brust eine Stimme: »Sie wollte mitkommen! Sie wollte es!«
11.Song
»Hallo?«, gähnte Rosa in ihr Handy.
»Hab ich dich geweckt?!«, fragte eine putzmuntere Billie am anderen Ende der Leitung.
Rosa blinzelte auf ihren Wecker. Es war zehn vor fünf, fast noch Nacht.
»Was willst du, Billie?«
»Ich habe dir vor fünf Sekunden eine Mail rübergeschickt. Meine neue Kolumne.«
Rosa schwieg.
»Kannst du sie ausdrucken? Bitte, bitte, bitte! Mein Drucker spielt mal wieder verrückt«, bat Billie.
»Du auch«, murmelte Rosa.
Billie kicherte.
»Das ist so süß von dir. Ich hau mich jetzt noch mal aufs Ohr.«
»Toll und ich?«, fragte Rosa.
»Hey, du bist die Erste, die die Kolumne lesen darf.«
»Na super«, sagte Rosa und legte auf. Zehn vor fünf… Billie hatte echt ’ne Meise.
Als Lou drei Stunden später ihr Rad vor dem Schulgebäude abschloss, hörte sie das erste Quaken. Drei Mädchen aus der Parallelklasse standen vor dem Eingang und jedes Mal, wenn ein
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