Ein Strandkorb für Oma
ich wie eine Irre darum gekämpft, wieder wegzukommen von Föhr, …»
Maria schaut mich traurig an.
«… und als ich dich kennengelernt habe, wollte ich das wieder rückgängig machen. Blöderweise ist das bei denen in Kiel untergegangen. Ich rede morgen mit Gerald über den Widerspruch, dann nehmen die das zurück, da bin ich sicher!»
Gerald Brockstedt ist ihr Revierleiter.
«Und wenn nicht?»
«Das wird morgen geregelt», murmelt Maria.
Die Dienstpläne bei der Autobahnpolizei sagen bis jetzt das Gegenteil.
Eine frische Brise kommt auf. Maria und ich fangen an zu frieren, auf Übernachtung in der freien Natur waren wir nicht eingestellt. Jade hingegen wickelt sich schweigend in ihren schwarzen Ledermantel, der tagsüber viel zu warm war, aber jetzt genau richtig ist. Der Wind nimmt erstaunlich schnell zu. Von der See schieben sich heftige Wassermassen heran, die die Flut nicht ablaufen lassen, trotz Ebbe steigt der Pegel, statt zu fallen.
Irgendwann lässt der Wind sämtliche Hunde aus dem Zwinger und hetzt sie auf uns. Die Böen greifen uns von allen Seiten an, auf dem Deich ist es nicht mehr auszuhalten. Wir suchen uns ein windgeschütztes Plätzchen hinter dem «Strandhotel», aber es nützt nichts, die Hunde finden uns auch dort.
«Ich habe keine Lust mehr», brülle ich gegen den Sturm, «wir nehmen uns ein Zimmer!»
Das hätte mir früher einfallen sollen; alles ist schon geschlossen.
Also zwängen wir uns in den Mini.
Leider ist dieses Lifestyle-Auto nicht nur vom Namen her das Gegenteil eines Campingbusses.
Zur drangvollen Enge kommt das emotionale Reizklima.
Maria weiß, dass sie einen Fehler begangen hat, sie hätte mit mir über die drohende Versetzung reden sollen. Zusätzlich ist sie sauer auf Jade, und ich bin es auch.
Jade wiederum ist aus unerfindlichen Gründen sauer auf uns beide. Wirklich schlafen kann niemand, alle halbe Stunde meldet sich irgendein akut abgeknickter Körperteil, aber es hilft ja nichts.
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3. Die sprechenden Steine
Der kipplige Seegang bei der Überfahrt nach Föhr kommt mir wie eine zusätzliche Schikane vor. Obwohl sich die wütenden Wellen mit den weißen Schaumspitzen in der klaren Morgensonne optisch hervorragend machen.
Nur, was nützt das, wenn an Bord die Kaffeemaschine kaputt ist?
Im Salon setzen wir uns an einen Tisch, Maria macht sich auf der Sitzbank lang und nimmt meinen Schoß als Kopfkissen: Ich lasse meinen Kopf auf die Tischplatte sinken, genau wie Jade. Das ist zwar nicht bequem, aber im Vergleich zum Mini schon ein Fortschritt. Gerade, als ich etwas eingenickt bin, weckt mich ein Kellner, um mir mitzuteilen, dass die Kaffeemaschine wieder geht. Ab da kann ich endgültig nicht mehr einschlafen.
Die «Uthlande» zieht kurz vor Föhr hart nach Steuerbord und fährt ein Stückchen parallel zur Wyker Seepromenade, wo Oma wohnt. Föhr präsentiert sich an diesem Morgen wie die Kulisse eines Werbefilms, die Sonne arbeitet jeden Mauervorsprung mit warmem, hellem Licht heraus, die Fensterscheiben werfen die Strahlen glitzernd wie helle Sterne zurück.
Dann tuckert die Fähre langsam zum Fähranleger und wird festgemacht. Sonst drängen sich hier Passagiere und Touristen zwischen voll bepackten Autos. An diesem Morgen sehe ich nur einen einzigen Lastwagen und eine einsame Frau, der Hafen gehört um diese Zeit sich selbst.
Als wir näher kommen, erkenne ich die Frau: In einem roten Hosenanzug, mit frischem Make-up und blond gefärbten, kurzen Haaren, knackebraun wie immer, steht unsere Oma da und winkt uns zu.
Jade, Maria und ich winken zurück.
Das ist wirklich Oma!
Wie immer viel zu auffällig und Generationen zu jung gekleidet für ihre 76 Jahre. Aber immer voller Energie und Unternehmungslust. Woher weiß sie, dass wir auf der ersten Morgenfähre sind?
Großes «Hallo» am Kai, als wir auf dem Hafenparkplatz aus dem Wagen springen. Oma umarmt ihre Enkelin Jade und drückt sie, so doll sie kann. Jade lässt es sich ohne Protest gefallen. Dabei haben sich Oma und sie bisher nur ein paar Mal in Frankfurt getroffen.
«Jade, mien seuten Deern …!»
«Süßes Mädchen» trifft es vielleicht nicht ganz präzise, aber was soll’s.
«Moin, Oma, schön dich zu sehen», begrüßt Jade sie.
Respekt, so viel nette Worte hatte sie für uns nicht.
Dann schlingt Oma ihre Arme um Maria und mich.
«Woher wusstest du, dass wir um diese Zeit ankommen?», frage ich.
Oma legt ihren strengen Gouvernantenblick
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