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Ein Strandkorb für Oma

Ein Strandkorb für Oma

Titel: Ein Strandkorb für Oma
Autoren: Janne Mommsen
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liegt.
    «Ich dachte, wir werden zusammen in Nieblum so alt, dass wir den ganzen Tag nebeneinander im Wintergarten sitzen und die Vögel draußen beobachten», seufze ich.
    Maria lacht. «Wohl kaum!»
    «Wir werden nicht zusammen alt?»
    Maria stemmt die Arme in die Hüften. «Doch, hoffentlich. Nur wirst du niemals Vögel beobachten. Dazu hast du gar nicht die Ruhe.»
    «Aber du?», frage ich lächelnd.
    Daraufhin fallen wir uns – endlich – in die Arme und küssen uns. Irgendwann verlieren wir auf dem rutschigen Grund die Balance und fallen in den Schlick, der ziemlich kühl ist. Wir können nicht genug voneinander bekommen. Wenige Grad mehr und unser Schlammcatchen wäre in hemmungslosen Versöhnungssex übergegangen.
    «Ich bringe den Polizeiwagen zurück», schlägt Maria vor, als wir wieder zu Atem gekommen sind. Ihre Uniform ist als solche kaum noch zu erkennen. Meine Klamotten sehen auch schlimm aus.
    «Wir werden die Sitze einsauen!», befürchte ich.
    Was Maria freut: «Ich werde mich per Funk abmelden und sagen, dass ich vom Steg gefallen bin. Dann mache ich Feierabend.»
    «Guter Plan», strahle ich.
    Maria legt ihren Kopf an meine Schulter. «Oder hast du zufällig was anderes vor?»
    «Was sollte das sein?»
    Eigentlich treffen sich heute in Utersum die Seevögel mit den Knurrhähnen. Nach meinem Auftritt im «Museum Kunst der Westküste» habe ich vorgeschlagen, dass sich beide Chöre verabreden und über eine Zusammenarbeit verhandeln, was auf einer überschaubaren Insel wie Föhr sinnvoll wäre. Aber das bekommen die auch ohne mich hin.
    Hand in Hand gehen wir zurück zum Festland, keiner sagt etwas. Alles wird gut, das wissen wir, und es braucht keine weiteren Worte.
    Doch dann kommt ein Anruf auf Marias Diensthandy, der sie erstarren lässt.
    «Ich soll sofort ins Revier kommen», sagt sie. «Es gibt eine neue Spur.»
    «Sind die auf Oma gekommen?»
    «Wir sollten es besser rauskriegen.»
    Unsere Versöhnung endet anders als im Kino, geschenkt. Als wir in den Polizeiwagen springen, machen wir mit unseren schlickigen Klamotten die Sitze unbenutzbar für Marias Kollegen, aber was bleibt uns anderes übrig? Maria setzt mich im nahe gelegenen Utersum ab. Ich werde kurz bei den Seevögeln und den Knurrhähnen Moin sagen. Spätestens in einer Dreiviertelstunde wird mich Maria dort abholen. Sie verspricht, sich zu beeilen.

[zur Inhaltsübersicht]
20. Leinen los im Taarephüs
    Die Seevögel sind wetterfest und singen meistens auf dem Deich. Aber wir achten auch darauf, dass wir bei Tiefdrucklagen nicht die Grenze zum Masochismus überschreiten. In solchen Fällen üben wir im Taarephüs, norddeutsch Dorfhaus, einem prächtigen Friesenhaus in Utersum, in dem die Veranstaltungen der Gemeinde stattfinden. In den Raum unter dem Reetdach passen an die zweihundert Leute. Heute ist er leer, bis auf den langen Tisch vor der kleinen Bühne, an dem sich die beiden Chöre streng getrennt gegenübersitzen. Von den Seevögeln sind Karl vom Standesamt, die frisch blondierten Landfrauen Gerda und Annalena sowie Vogelwart Markus erschienen. Friederike fehlt, ich muss sie so bald wie möglich auf den neusten Stand bringen.
    Auf der anderen Seite sitzen sämtliche Knurrhähne, Kapitän Petersen, Jens Jensen, Christian, Lükki, Brodersen, Holger Ketels und Fritz. Zwischen den Chören stehen Bierflaschen und eine wunderbare Friesentorte.
    «Ich habe keine Lust, Lieder zu singen, die die Seeleute damals selbst schon doof fanden», meckert Gerda gerade, als ich hereinkomme. Ob es je zu einer Zusammenarbeit von Seevögeln und Knurrhähnen kommen wird, ist fraglich: unsere Frauen werden keine Shantys singen wollen, und die Shantyherren keinen Soul.
    «Woher willst du denn wissen, dass die die doof fanden?», beschwert sich Lükki beleidigt.
    «Woher willst du wissen, dass die die
nicht
doof fanden?», kontert Gerda, verschränkt die Arme vor ihrem Bauch und lehnt sich zurück.
    «Was ist
dir
denn passiert, Sönke?», fragt Jens mit einem Blick auf meine verschlickte Kleidung, als ich mich auf den einzigen freien Platz an der Stirnseite des Tisches setze. «Das Schönste, was einem Menschen passieren kann», hätte ich am liebsten geantwortet.
    Aber das wäre zu intim gewesen und hätte Nachfragen provoziert.
    «Afglitscht», brummle ich auf Plattdeutsch,
ausgerutscht
.
    Kann passieren, kennt jeder, damit ist das Thema durch.
    «Und ich will nichts Schweinisches singen», versucht Lükki klarzustellen.
    Allgemeine Heiterkeit
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