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Ein Strandkorb für Oma

Ein Strandkorb für Oma

Titel: Ein Strandkorb für Oma
Autoren: Janne Mommsen
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bei den Seevögeln.
    «Was sollte das sein?», erkundigt sich Annalena und muss dabei kichern.
    Lükki bleibt ernst. «Na, sechs Moschiehn, oder wie das heißt.»
    Sechs Moschiehn? Ah,
Sex Machine
von James Brown!
    «Das singen wir gar nicht», beruhigt ihn Gerda, «und außerdem, die schweinischen Lieder habt ja wohl ihr im Repertoire!»
    «Waas?», amüsiert sich Holger Ketels.
    «What shall we do with the drunken sailor – das klingt doch eindeutig nach Liebe unter Matrosen ….»
    Alle lachen laut los, außer Gerda. Sie hat es wohl ernst gemeint.
    Wenn die beiden Chöre zusammenkämen, besäße das eine geradezu historische Dimension. Denn Föhr ist strikt geteilt in die Bereiche Stadt Wyk und Föhr-Land. In den verschiedenen Inselteilen werden sogar verschiedene Sprachen gesprochen, in Wyk ist es überwiegend Hochdeutsch, auf dem Land Friesisch und Platt, dazu kommt auch noch die dänische Minderheit. Ich konnte es nicht fassen, als ich auf die Insel zog:
    Utersum ist so nah bei Wyk, für diese Strecke kann man in Hamburg ein Kurzfahrtticket lösen. Für die meisten Wyker allerdings, so lernte ich, ist eine Fahrt nach Hamburg naheliegender als die nach Utersum. Zuerst hielt ich das für Folklore, bis ich feststellte: die Leute reden nicht nur so, sie ziehen es durch!
    Die Knurrhähne sind ein rein Wyker Chor, bis auf Bürgermeister Brodersen aus Nieblum. Die Seevögel wohnen alle in Föhr-Land. Und so wird das heutige Treffen auch behandelt: wie die Friedensverhandlungen zweier Großmächte.
    Sollen sie machen. Für mich wird alles gut ausgehen, egal, wie
das
hier ausgeht. Ich schaue auf meine Uhr. Maria braucht eine Viertelstunde bis zum Revier, eine Viertelstunde für die Dienstabmeldung und eine Viertelstunde zurück. Genau so lange schaue ich mir das hier an. Und keine Minute länger.
    Dann ergreift Kapitän Petersen das Wort. «Wir sollten nicht rumschnacken, sondern singen.»
    Alle klopfen zustimmend mit Fäusten auf den Tisch.
    «Aber was nur?», fragt Markus.
    Kapitän Petersen schnaubt in ein Stofftaschentuch. «Wir haben zum Glück ein klares Bild voneinander.» Er grient in die Runde. «Wie wäre es denn, wenn ihr uns mal vorführt?»
    Beide Parteien starren ihn erstaunt an.
    «Wir sollen die Knurrhähne nachmachen? Kein Problem», sagt sich Gerda und schnallt sich Petersens Akkordeon über. Dann stellt sie sich zusammen mit Annalena breitbeinig wie ein Skipper auf die Bühne.
    «Was bin ich denn hier schon?», ruft sie nölend in die Menge, «nix as ’ne stinkige Landratte!»
    Die Übrigen entern die Bühne und haken sich mit den Armen ein. Ich bleibe bei den Knurrhähnen sitzen und schaue mir das Ganze an. Die anschließende Parodie von «La Paloma» geht in die Geschichte ein. Schlimmer wurden Shantysänger noch nie durch den Kakao gezogen.
    Die Knurrhähne nehmen es sportlich mit anerkennendem Tischklopfen. Dann überlassen die Seevögel ihnen die Bühne.
    Die Herren postieren sich mit durchgedrückten Rücken und feierlicher Miene auf der Bühne, wie man es für gesetzte Männer um die sechzig erwartet. Kapitän Petersen stellt sich als Dirigent vor die Truppe, schlägt vollkommen ernst eine Stimmgabel an. Dann verteilt er die Stimmen. Die Chorherren summen einen vierstimmigen Chorsatz ohne Text, der an schnulzige Volksmusik erinnert.
    Ich muss an Maria denken. Wir werden gleich nach Haus fahren, wild übereinander herfallen und dann tagelang nicht mehr das Haus verlassen.
    Ich scheine in der Zwischenzeit etwas nicht mitbekommen zu haben, jedenfalls wirbeln die Arme der Shantysänger plötzlich wild durcheinander, es wird gewippt und gerappt, was das Zeug hält, die Knurrhähne legen eine «Sex Machine»-Version hin, die zwischen peinlich und frech schwankt.
    Riesenapplaus bei den Seevögeln.
    Man spürt, dass die Herren nicht im Süden der USA aufgewachsen sind. Aber das macht den besonderen Charme ihres Auftritts aus. Danach singen alle zusammen am Tisch spontan das Feringlied, die Hymne der Insel Föhr, das kennen alle, Seevögel wie Knurrhähne.
    Ich bleibe mit entrücktem Buddhalächeln in einer Ecke sitzen. Noch eine halbe Stunde, dann kommt Maria.
    Christian schlägt vor, dass nun getrunken werden soll. Dem wird einstimmig stattgegeben.
    Ich setze mich etwas abseits in eine Ecke des Taarephüses und halte Hof wie der alte Mafiapate im Film. Alle kommen zu mir, um sich einen Platz auf der Arche zu sichern. Lükki will mit einem Feuerwehrwagen an Bord, Christian will die Inselklinik
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