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Ein Strandkorb für Oma

Ein Strandkorb für Oma

Titel: Ein Strandkorb für Oma Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Janne Mommsen
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klingelt.
    Nichts.
    Wahlwiederholung.
    Nichts.
    Warum auch? Was unterstelle ich dem liebsten Menschen in meinem Leben eigentlich? Wie wenig ist noch von mir übrig, dass ich so denke?
    Der Ausgang war eine schlechte Idee, denn er ist ja geschlossen. Und der Graben ist immer noch zu breit, um ihn zu überspringen. Sehr umständlich und langsam arbeite ich mich durchs Gestrüpp zurück zu dem Baumstamm, über den ich gekommen bin, und balanciere auf die andere Seite.
    Auf dem Parkplatz springe ich in den Mini und rase durch die Marsch Richtung St. Laurentii. Was ist da bloß los? Föhr ist doch nicht die South Bronx! Ich drücke das Gas voll durch, zum Glück geht es in der Marsch ja meistens geradeaus. Meistens.
    Nur manchmal gibt es doch eine Kurve, und ganz plötzlich ist sie da. Ich erkenne sie viel zu spät, weil ich in der Marsch vollkommen die Orientierung verloren habe, und dann noch die Hitze …
    Obwohl ich voll in die Bremsen steige, bleibt der Wagen vorbildlich in der Spur. Aber die Begegnung mit dem Viehgatter ist nicht zu verhindern. Es kracht sehr hässlich, vorne splittern die Scheinwerfer, und die Motorhaube bekommt unschöne Beulen.
    Ich steige aus und hole Luft. Die Sonne brennt mir auf den Kopf, ich habe Durst. Der Mini sieht so aus, als hätte ihn die Polizei gerade aus dem Verkehr gezogen, ein Schrotthaufen. Das wäre mir egal, aber die Räder sind blockiert, weiterfahren geht nicht. Natürlich könnte ich die Polizei anrufen und zum Friedhof schicken, aber bis die aus Wyk da sind …. Ich biege mit Gewalt den rechten Kotflügel weg, damit das Rad frei kommt.
    Dabei fällt die vordere Stoßstange ab.
    Ich bin am Ende.
    Am liebsten würde ich mich in den Wagen setzen und einfach die Augen schließen. Aber ich kann Jade unmöglich hängenlassen. Also Rückwärtsgang rein und weiter. Zum Glück fährt der Wagen wieder.

[zur Inhaltsübersicht]
19. Endzeitromantik
    Zwischendurch muss ich noch einmal anhalten, weil der linke Kotflügel mit einem hässlichen Ton am Rad schabt. Ich biege ihn so hin, dass ich langsam weiterfahren kann. Der Himmel bezieht sich, die Marsch erstarrt in schattenlosem Grau, aus allen Farben werden Kontrast und Schärfe herausgefiltert.
    Ich stelle den Wagen vor der Friedhofsmauer von St. Laurentii ab und haste über den Friedhof in die Kirche. Drinnen umfängt mich der charakteristische Kirchengeruch, wie immer der auch entsteht, ich vermute, dass wurmstichige Gesangsbücher und Kerzen mehr dazu beitragen, als man denkt.
    «Jade?»
    Laut rufend, suche ich alle Winkel der Kirche ab, was gar nicht so einfach ist: Es wird gerade alles renoviert, sämtliche Wände sind eingerüstet und viele Ecken mit Plastikfolien abgeklebt.
    Jade ist in der Kirche nirgends zu sehen, ich finde auch keine Typen, es ist einfach niemand hier
    Ich bin doch nicht zu spät? Besorgt sprinte ich nach draußen. Wenn sie nicht in der Kirche ist, vermute ich sie beim Grabstein von Matthias Petersen, dem Glücklichen.
    Doch da ist sie auch nicht. Ich schaue hinter jeden Grabstein. Nichts.
    Dann bin ich einmal um die Kirche herum, und plötzlich – steht Maria vor mir! Mit gezogener Dienstwaffe!
    «Maria!», rufe ich erschrocken.
    Sie ist ebenfalls geschockt: «Sönke! Was machst du denn hier?»
    «Äh, ich suche Jade.»
    «Ich auch, sie braucht Hilfe.»
    «Ich habe sie nirgends gefunden.»
    «Lass uns zusammen suchen.»
    Sie steckt die Waffe wieder ein. In diesem Moment melden sich synchron unsere Handys. Jeder von uns hat ein Smily von Jade geschickt bekommen.
    Wir brauchen beide eine Sekunde, bis der Groschen fällt.
    «Hey, das war eine Intrige», sage ich. «Sie wollte, dass wir uns treffen.»
    «Süß.»
    «Wie kommt sie darauf?»
    «Sie hat unseren Streit in der Galerie mitbekommen», mutmaßt Maria. «Schon vergessen?»
    «Wir hätten uns sowieso getroffen, oder?»
    Maria antwortet nicht. Wir haben uns bisher noch nicht geküsst oder berührt. Es ist noch schlimmer als vor ein paar Tagen auf Haukes Hof, als sie unter Tobias’ Choreographie tanzen musste.
    Ich schaue mich um.
    «Der Friedhof ist mehr was für Jade, oder?», sagt Maria.
    Ich stimme ihr zu. Die Gräber besitzen eine besondere Macht über uns Lebende, die Maria und mir momentan nicht gerade hilfreich ist.
    «Wie bist du hier?»
    «Mit dem Polizeiwagen.»
    «Ich habe ein paar fiese Beulen in den Mini gefahren.»
    Es ist immerhin ihr Auto.
    «Egal.»
    «Komm, wir gehen ein Stück.»
    «Die alte Strecke?»
    Maria nickt.
     
    Der Himmel

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