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Ein Stueck meines Herzens

Ein Stueck meines Herzens

Titel: Ein Stueck meines Herzens Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard Ford
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rauchte und eine große stahlgraue doppelläufige Schrotflinte so balancierte, daß die Mündung des Laufes auf seinem Fußrücken ruhte.
    Er fragte sich, wieso der alte Mann und Landrieu sich so schnell wieder vertragen hatten, und meinte, daß es deshalb so schnell dazu gekommen war, weil jeder dachte, der andere hätte die ganzen Flaschen aufgesammelt, aber keiner irgend etwas darüber zu sagen wagte.
    Mr. Lamb begann zu summen: »Ruuhig, ruuhig jetzt, El’nr«, als ob er den Boden vor sich in Bann schlagen wollte. Elinor wurde immer zappeliger, während sich der alte Mann von hinten mit seiner Schrotflinte näherte, bewachte wahrscheinlich, wie er annahm, was immer sie bewachen sollte, und suchte sich gleichzeitig schon einmal eine Stelle aus, wohin sie sich ganz schnell verziehen könnte, wenn die Schießerei losging.
    Landrieu nahm einen letzten Zug von der Zigarette, schnippte den Stummel ins Gras, spuckte, und dann ging auf einmal alles ganz schnell. Zwei Vögel flatterten aus den Apfelbeeren auf, Schwinge an Schwinge, und flogen direkt in einen Lichtstrahl hinein und schossen ungehindert mit surrenden Flügeln an dem Gesicht des alten Mannes vorbei. Der alte Mann hatte überhaupt keine Chance und wirbelte seine Waffe nur hoch, um sich vor den Vögeln zu schützen, die sich erst in letzter Sekunde trennten und an ihm vorbei in verschiedene Richtungen davonschossen, während der alte Mann dem Hund, der angefangen hatte zu bellen, ein »Wuuuup, wuuuup« zuschrie. Dann stiegen sechs weitere Vögel auf und stießen vor dem alten Mann in einer Reihe durch die Bäume hoch, und ihm gelang es, den Griff an die Schulter zu reißen und zwei Schüsse abzugeben, die den Vögeln keine einzige Feder krümmten. Landrieu nahm vorsichtig seine große doppelläufige Flinte an die Schulter, falls noch ein Tier aus dem Schwarm aufsteigen und auf ihn zusteuern sollte, und prompt geschah das auch, und ein Vogel stieg hinter Mr. Lambs Füßen auf und flog in die entgegengesetzte Richtung, und Landrieu feuerte, ohne zu zögern, ab und traf den Vogel in einer Weise, die ihn an Atomschläge gegen solide Backsteinhäuser denken ließ. Erst flog der Vogel noch, braun und schwarz und weiß und mit gestutzten Flügeln und eifrig auf das Gelingen seiner Flucht bedacht, und dann veränderte sich seine ganze Physiognomie und keiner seiner ursprünglichen Züge war mehr unversehrt. Es war, als hätte Landrieu einen fleckigen Geschirrlappen in die Luft geworfen und einen Knoten reingeschossen.
    »Ver-dammt«, sagte Landrieu, senkte den Lauf und schaute auf das Chaos von Federn, das in der Luft hing und sich gar nicht zu rühren schien.
    Mr. Lamb sah ihn trübselig an und wandte sich mit einem prüfenden Blick wieder Elinor zu, die ohne Zweifel glaubte, daß noch mehr Wachteln im Gebüsch waren, und sich nicht von der Stelle gerührt, aber einige Male gebellt hatte, während die ersten Vögel aufgestiegen waren, was Mr. Lamb sehr verärgert hatte. Er begann wieder zu summen und Elinor böse anzustarren, als dächte er, sie würde die Vögel anstupsen und sie ermutigen, die Flucht zu ergreifen, bevor er sich in Schußposition gebracht hatte. Er stellte sich wieder hinter sie und beugte sich fast bis auf ihren Kopf hinunter und begann dann, das Gebüsch mit seinem Fuß zu durchkämmen, und hielt seine Waffe so, daß der Lauf von seiner Taille aus hochragte und in die Richtung zeigte, die die Vögel beim Auffliegen einschlagen sollten. Und auf einmal stieg eine einzelne Wachtel aus der Deckung auf und stieß zur Landebahn vor. Sie hatte den Hals gestreckt und griff mit den Flügeln in der leeren Luft so weit aus, wie sie nur irgend konnte. Der Vogel hatte die ideale Flugbahn gewählt, und mit unermeßlicher Gelassenheit hob der alte Mann die Mündung in einer einzigen ruhigen, flüssigen Bewegung, blickte am Lauf entlang und hielt eine Sekunde inne, während er die ideale Entfernung einschätzte, und feuerte dann einen Schuß ab, der den Vogel erwischte, ohne daß der auch nur eine Feder verlor, und ihn an der Ecke der Landebahn niederstürzen ließ. Der alte Mann kümmerte sich überhaupt nicht darum, ob Landrieu von dem Schuß Notiz genommen hatte. Er rückte mit geübten Bewegungen bis dahin vor, wo der Vogel aufgeschlagen war, und rief Elinor »tot« zu, die vor ihm herlief, den Kopf im Unkraut hoch erhoben, bis sie die abgemähte Wiese erreichte und sich mit ihren Vorderpfoten auf die Wachtel stürzte und sie von den Flügeln bis zum Hals

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