Ein Stueck meines Herzens
aufzureißen begann, indem sie sie mit ihren Pfoten festhielt und das Fleisch mit ihren starken Zähnen abzog. Der alte Mann beeilte sich, erreichte den Vogel zwei Sekunden nach Elinor und verpaßte ihr einen gewaltigen Tritt in die Rippen, so daß sie kopfüber ins Gras kullerte und den Vogel loslassen mußte, und sie versuchte, ein Jaulen herauszubringen und gleichzeitig wieder genug Luft in ihre Lungen zu pumpen, um nicht zu ersticken.
»Miststück«, grummelte der alte Mann und inspizierte kurz den Vogel, der von seiner Hand herabbaumelte, bevor er ihn in seinen Mantel stopfte und zurückging. »Hat versucht, meinen Vogel zu zerreißen«, sagte er zwischen den Bäumen hindurch und bahnte sich den Weg zu Landrieu hinüber, der kläglich befingerte, was von dem Vogel, den er zerfetzt hatte, noch übrig war.
»Ja, Sar«, sagte Landrieu mißmutig. »Dieser hier is’ auch ’n bißchen ramponiert.«
»Du benutzt ja auch dieses verdammte Peter-Stuyvesant-Gewehr«, meckerte der alte Mann, kam heran und stellte sich neben Landrieu, als warteten sie darauf, daß man ein Foto von ihnen machte. Das Licht hatte sich nun gleichmäßiger verteilt, und der Hof hatte ein wächsernes Aussehen angenommen. Elinor kroch bedrückt aus den Büschen heran und machte einen Bogen um die Jäger und schlich sich zu ihrem Platz unter der Treppe zurück, wo sie sich sonst immer hinlümmelte. Sie warf dem alten Mann einen bekümmerten Blick zu und entschwand aus seinem Gesichtskreis. »Wenn du dir so ’ne kleine Zwanziger besorgen würdest wie diese Waffe«, fuhr Mr. Lamb in seiner väterlichen Manier fort und schaute auf Landrieus Vogel, hob dann seine kleine Remington und warf einen achtunggebietenden Blick darauf, »dann würdest du deine Vögel nicht so zerballern, wie du’s getan hast, und du würdest dich auch nicht zu Tode schleppen.« Landrieus Waffe lag vor den beiden auf der Erde, und Mr. Lamb stieß sie mit dem Fuß an, als wäre sie eine Schlange, die er persönlich bezwungen hatte.
»Ja, Sar«, stimmte Landrieu zu und schaute immer noch jammervoll auf den Klumpen von Federn in seiner Hand.
Mr. Lamb starrte noch einen Augenblick auf den zerfetzten Vogel hinunter und ging dann zurück zum Haus, wobei er weiter mit Landrieu redete, als stünde der immer noch neben ihm.
Er ging wieder in die Gin Den und setzte sich locker auf die Kante seines Feldbetts und horchte auf die beiden Männer, die die Treppe zum Haus hochstapften und laut redeten. Die Tür fiel zu, und er war allein in der kühlen Hütte, starrte auf seine Zehen und überlegte, wie er diesen Tag bloß verbringen sollte. Es war ohne Zweifel der Tag, um abzureisen. Er sollte den Bus nach Memphis nehmen und den Nachtzug erwischen und sich morgen irgendwann einen Platz zum Übernachten suchen, weil Beebe nicht zu Hause wäre und er keinen Schlüssel hatte. Und später könnte er die Stadtbahn zur Universität nehmen und sich für den Examenskurs eintragen und endgültig den Weg einschlagen, zu dem er sich verurteilt fühlte, auch wenn der einzige Grund für dieses Gefühl sein mochte, daß ihm sowieso nichts anderes übrigblieb. Es lag etwas Ungutes in der Gelassenheit, mit der man das wählte, was als einziges übrigblieb, wenn jede andere Möglichkeit ausgeschlossen war, und zwar nicht aufgrund irgendeiner Entscheidung, sondern allein durch den Lauf der Zeit und die Willkür der Umstände. Es war wie die zwiespältige Befriedigung, die jemand empfindet, dachte er, der an den Strand irgendeines Landes gespült wird, nachdem er wochenlang auf einem Baumstamm durchs Meer getrieben ist, und nun viel zu weit von der Heimat entfernt ist, um je hoffen zu können, daß es ihn wieder dorthin verschlagen könnte, und der doch froh ist, an Land zu sein, gleichgültig, welches Land es am Ende ist. Das einzige, was seiner Abreise entgegenstand, war das Angeln. Er fühlte sich verpflichtet, Mr. Lamb zur Hand zu gehen, aber die Vorstellung, das Risiko einer Bootsfahrt mit ihm einzugehen, schien ihm wenig Gutes zu verheißen, da der alte Mann gern herumbramarbasierte und aufsprang, wenn ihm etwas nicht paßte, und sich in einem Boot wahrscheinlich ganz genauso seinen Launen überlassen würde wie sonst auch.
Er zog sich an und schlüpfte hinaus und schlug die Richtung zum benachbarten Wäldchen ein, wobei er darauf achtete, daß der Rumpf der Gin Den immer zwischen ihm und der Veranda lag.
Am Waldrand angelangt, ging er noch zwanzig Meter in den Wald hinein, so daß er das Haus
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