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Ein Stueck meines Herzens

Ein Stueck meines Herzens

Titel: Ein Stueck meines Herzens Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard Ford
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mit einer großen Nickelpistole herumstapfte, die er vor seinen Bauch geschnallt hatte, und irgendeinen finsteren Jugendlichen für sich arbeiten ließ.
    Zwei Wildenten flatterten auf und jagten aus den Niederungen unterhalb des Lagers heraus, flogen schnell hinaus aufs offene Wasser und suchten im Flug die blitzende Oberfläche ab, und jede wachte über ihr eigenes Flugfeld. Als sie auf den Korridor des Sees einbogen, schienen sie immer mehr an Höhe zu verlieren, als ob sie etwas Bestimmtes suchten, das im Umkreis der Weiden lag. Und als sie sich auf der Höhe der Anlegestelle befanden, drehten sie plötzlich, immer noch in Formation, scharf ab, als hätten sie entdeckt, wo sie hinwollten, und beabsichtigten, in einer Schleife zurückzukommen und direkt zwischen den Stümpfen und abgeholzten Bäumen niederzugehen. Aber beim unerwarteten Anblick seines Gesichts, das einsam und ruhig, weiß und bezaubert zu ihnen hochblickte, zogen sie einen Kreis und stiegen auf und drehten nach rechts ab und fielen zurück, als versuchten sie, seine Sichtweite zu übertreffen, verdreifachten den Abstand zwischen sich und ihm innerhalb von Mikrosekunden und nahmen Reißaus, jede in entgegengesetzter Richtung, zurück übers offene Wasser, wobei das harte Schwirren ihrer Flügel kaum die Stille durchbrach, und er hatte das Gefühl, er sollte sich in den Wald zurückziehen und sich verbergen.
    Robard holperte vom Haus her die Straße herunter, eine Zigarette in den Mundwinkel geklemmt, und sah matt aus. Er lenkte den Jeep aus den Furchen und über die Wurzeln der Weiden und hielt an und ließ den Motor weiterlaufen. »Ich habe gerade beobachtet, wie Gaspareau jemandem gezeigt hat, wo wir sind«, sagte er.
    Robard schaute zum Anleger hinüber, einem Strich auf der Wasserlinie. »Bestimmt einer von diesen Footballtrainern«, sagte er und schaute auf seine Zigarette, um zu sehen, ob sie brannte. »Wie sah er aus?«
    »Größer als Gaspareau«, sagte er.
    »Na, das ist ja nicht allzu schwer.«
    »Jedenfalls ist der, wer immer das war, wieder über den Damm zurückgefahren«, sagte er und warf einen Blick auf die lange Futtermauer des Damms.
    Der Motor des Jeeps soff ab, und Robard schaute auf den See, der zwischen den Weiden hindurch Lichttupfer hochsandte. »Ich wollte  Sie  mal was fragen, Newel«, sagte er. Er schnippte seine Zigarette ins Gras, holte eine neue heraus, klopfte sie am Steuerrad fest und hielt sie sich neben den Mund. »Was machen  Sie  eigentlich hier unten?« Robard schob sich den Daumenknöchel in die Augenhöhle und knetete ordentlich auf seinem Auge herum.
    »Ich weiß das selber schon nicht mehr«, sagte er und stand auf und stellte sich vor den Jeep und wollte am liebsten zurückfahren.
    » So  schwierig ist das Leben doch nun auch wieder nicht.« Robard griff nach einem Streichholz, das er sich hinters Ohr gesteckt hatte, und riß es an seinem Hosenschlitz an.
    »Ich muß mir endlich eine einfachere Sicht der Dinge zulegen«, sagte er.
    »So wie ich.« Robard paffte genüßlich.
    »Ich hatte ’ne Menge Vorstellungen, mit denen ich nicht mehr klarkam.« Er kam näher und schlüpfte an ihm vorbei auf die Rückbank des Jeeps und ließ seine Beine herunterbaumeln. »Namen von Leuten, ein Haufen zufälliges Zeug.«
    »Aber ist das nicht bloß Ihr Gedächtnis?« fragte Robard.
    »Ja, aber es hat angefangen, mich das kalte Grausen zu lehren! Ich konnte mich nur noch an das erinnern, was am vorigen Tag gewesen war, und an irgendwelchen Kram aus dem Jurastudium. Ist Ihnen das nicht auch schon mal so gegangen?«
    »Nein«, sagte Robard und stupste mit dem Nagel seines kleinen Fingers an die Asche. »Ich hab nicht Jura studiert.«
    Er warf Robard einen mißbilligenden Blick zu, der seine Zigarette betrachtete. »Egal, verdammt noch mal, ich bin jedenfalls gar nicht mehr davon losgekommen, was ich zum Teufel eigentlich wüßte, und alles, was ich wußte, waren eben solche Sachen – irgendwelche Phasen meines Lebens, Erinnerungen an Leute, unbedeutende Orte, mein Alter. An einen solchen Haufen Scheiße kann man ja wohl schwer sein Herz hängen. Ich habe einen ganzen Monat in meiner Wohnung gesessen und versucht, wenigstens einen klaren Gedanken daraus zu ziehen, aber es ging überhaupt nicht.«
    »Wieso?« fragte Robard und drehte sich um, als wollte er wirklich die Antwort hören.
    »Ich weiß es nicht.«
    »Wieso sind Sie überhaupt weggegangen?« Robard streckte die Beine über den Sitz neben sich aus. Die Luft, die

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