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Ein Stueck meines Herzens

Ein Stueck meines Herzens

Titel: Ein Stueck meines Herzens Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard Ford
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hinter den Baracken am Highway jenseits des Kold Freez, eines für die Farbigen, in dem viele Lichter brannten und wo eine Menge großer Schlitten mit Nummernschildern aus Illinois und New Jersey vor einigen grell angestrichenen Holzziegelzimmern standen. Und einen halben Kilometer weiter lagen vier Häuschen in einer Reihe abseits der Straße hinter einer blinkenden grünen Neonreklame am Straßenrand, die zwei Wildenten in drei verschiedenen Flugformationen zeigte.
    Der Mann an der Rezeption war betrunken. Er kam mit einem Cocktailglas aus Plastik hinter einem Schnurvorhang hervor und begann, ohne ein Wort zu sagen, unter dem Tresen nach einer Zimmerkarte zu suchen. Schließlich schob er ihm einfach den Schlüssel hin, versuchte, seine Schultern zu straffen, hauchte seinen Whiskeyatem ins Zimmer und schlenderte wieder durch den Vorhang hinaus nach hinten, wo ein Fernseher lief und eine weibliche Stimme leise sprach.
    Er probierte den Schlüssel an der ersten Tür und arbeitete sich schließlich bis zur letzten Hütte vor, wo das Unkraut im Gehweg Wurzeln geschlagen hatte, und das kleine Häuschen war dunkelblau und kaum noch zu erkennen. Ziegenmelker durchschnitten auf der Jagd nach Moskitos die Luft und krächzten in der Nacht. Er konnte ihre kleinen hauchdünnen Flügel durch das Surren der Hotelreklame hindurch flattern hören und einen Blick auf sie erhaschen, wie sie knapp über dem Boden kreisten. Als er für Rudolph gearbeitet hatte und in der Hütte am Schleusentor gewohnt und abends Radio gehört hatte, war er in der Dämmerung gern mit seiner Schrotflinte nach draußen auf die Brücke über den Materialgraben gegangen. Er hatte sich auf den Damm des alten Mannes gestellt und im orangenen Zwielicht, in dem sie wie Rasiermesser auftauchten, auf Ziegenmelker geschossen, und er hatte seine Schüsse so berechnet, daß er zwei Vögel, wenn ihre Flugbahnen sich kreuzten, gleichzeitig traf und sie wie Ulmensamen in den von Moospolstern gesäumten See trudeln ließ, wo sie mit ihren Flügeln wild auf der Wasseroberfläche herumschlugen, bis sie ertranken. Und morgens ging er dann über den Graben und den Damm hinunter, um die Pumpen zu schließen, schaute dann hinaus ins faulige Wasser und sah bloß lauter schwarze Schildkröten, die auf den umgestürzten Baumstämmen aufgereiht waren und sich im milchigen Licht sonnten, und hörte die Heuschrecken im Gras summen, und von den Ziegenmelkern war jedesmal nichts zu sehen, obwohl sie jeden Abend in noch größerer Anzahl wiederkamen.
    Er stieg wieder in den Pickup und fuhr zurück zu dem Negermotel, vor dem er draußen einen Getränkeautomaten entdeckt hatte. Er kaufte sich ein Root Beer und eine Packung Kekse, stand im Licht des Automaten da und lauschte auf die Musik und die Stimmen, die aus den Zimmern drangen. Vor jeder Tür stand ein dunkles Auto mit einem fremden Nummernschild. Ihre Hecks waren unter der Last des ganzen Gepäcks in den Kofferräumen fast bis auf den Schotter gesunken. Er erinnerte sich an die schweren Limousinen auf der Straße nach Los Angeles, voll schwarzer Babys und Schwiegereltern mit bösen verzogenen Mündern auf dem Rücksitz, die in die Wüste glotzten, als wäre das alles nur Teil eines langen Traums. Und nach drei Kilometern sah man die liegengebliebenen Wagen am Straßenrand, ein Kotflügel aufgebockt, und die Ehefrauen und Schwiegereltern und Babys standen abseits der Straße und fächerten sich Luft zu, während irgendein mickriger Ehemann, das rosa Hemd schwarz von Schweiß, mit einem Autoreifen kämpfte und Radio hörte, während die anderen Autos vorbeibrausten. Es war immer wieder zum Lachen. Sie hatten genug Kredit, um sich ein Auto zu kaufen, aber für die Reifen langte es dann nicht mehr. Also ließen sie es darauf ankommen. Und überall im Land blieben diese großen Buicks und Lincolns liegen, weil ihre Reifen nicht mehr genug Profil hatten, was eben das letzte war, woran ein Nigger noch denken wollte, wenn er erst mal auf den Gedanken gekommen war, loszufahren.
    Er aß den letzten Keks, beugte sich vor und befühlte an dem Wagen, der am dichtesten neben seinem Pickup stand, das Reifenprofil. Es war dick und warm und tief genug, um einen Nickel darin zu verlieren. Er nahm noch einen Schluck von seinem Root Beer, tippte mit seinem Fuß an den Reifen und ging zum Pickup zurück.
    Er fuhr mit dem Pickup rückwärts vor die Tür seines Häuschens und schloß auf. Der Raum war feucht und roch stickig, wie das Zimmer, in das sie

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