Ein Stueck meines Herzens
ordentlich regnen«, sagte er, als ob er meinte, daß es seit Wochen nicht mehr geregnet hätte.
Er sehnte sich nach einem Kaffee.
»Von wo in Kalifornien sind Sie denn?« fragte der Mann und schniefte. Sein Hemd war bis zum Bauch aufgeknöpft, und ein kleiner verblichener Indianerhäuptling war auf seine wabbelige Brust tätowiert.
»Aus Bishop.«
»Ich bin Dezember ’47 da runtergegangen, zur Navy«, sagte der Mann und starrte ernst auf seinen Becher. »Bin bis vor« – er hielt inne, um nachzuzählen – »vier Jahren dageblieben. Dann bin ich zurückgekommen und hab mir das hier zugelegt.« Er blickte voller Bewunderung in seinem kleinen Empfangsbüro umher. Der Mann beugte sich noch ein Stück über den Tresen vor und umschloß den Becher mit beiden Händen. »Ich werde nicht reich, aber ich kriech auch niemandem in den Arsch.« Er hob bedeutungsvoll die Augenbrauen. »Hab ’ne Tussi oben in Oceanside gefunden. Aber ihr hat’s in San Diego nie gefallen, wegen all den Latinos.«
Er versuchte, einen verstohlenen Blick hinter den Vorhang zu werfen und die Frau des Motelbesitzers zu erspähen, die möglicherweise Beuna kannte, und die sich vielleicht einen Sport daraus machte, Leute an ihren Hinterköpfen wiederzuerkennen, wenn sie gerade durch eine Motelzimmertür schlüpften, und die sofort nach dem Telefonhörer griff, wenn sie etwas auch nur entfernt Interessantes bemerkt hatte. »Wie gefällt’s ihr denn jetzt so?« fragte er und versuchte, durch den Schnurvorhang in das Zimmer dahinter zu blicken.
Der Mann fuhr mit der Hand durch sein eingeöltes Haar. »Sie ist nach Little Rock gefahren, um ihre Schwester zu besuchen«, sagte er, versuchte mit seinem zerstörten Mund ein müdes, kleines Lächeln und ließ seine Augen über die Zimmerdecke schweifen. »Ich war in der Navy.« Sein linker Mundwinkel sah rot aus und entstellte ihn.
»Ja«, sagte er. Er holte seine Postkarte heraus, legte sie auf die Glasplatte, unter der viele andere Postkarten lagen, griff nach dem Plastikschreiber des Motels und kritzelte eine Nachricht auf die Karte, die lautete: »Sei Dienstag zu Haus.«
Der Mann zog die Schublade auf, riß eine Briefmarke ab und schob sie über den Tresen. »Die da drunter sind alle von Leuten, die hier gewohnt haben«, sagte er stolz. »Sie kommen her, bleiben eine Nacht, und ein paar Wochen später krieg ich ’ne Karte aus Delray Beach, auf der steht, wie nett es im Two Ducks war.« Er trank seinen Kaffee aus, schlenkerte mit dem Becher in der Hand und blickte kumpelhaft auf. »Ich bin ein geborener Optimist«, sagte er.
»Ja«, sagte er. Er klebte die zusätzliche Briefmarke auf die Karte und dachte, daß sie ankommen würde, bevor er selber wieder zu Hause sein konnte, und stopfte sie in die Tasche. »Wie spät haben Sie’s?«
Der Mann schaute auf seine Armbanduhr. »Vier vor.« Er lächelte, und sein Mundwinkel klappte herunter wie der Eingang zu einem verrufenen Ort.
Er fuhr vom Hügel hinunter und auf die kleinen Schotterstraßen mit ihren weißen Fertighäusern, den Veranden mit Holztreppen und rosa Hortensien, die die Wasserzähler versteckten. Die Straße mußte eine Weile noch ein paar junge, schwächliche Mimosenbäume hinnehmen, aber jenseits der Rangiergleise zu den Betrieben hatte man die Bäume gefällt und einen Red-Ball-Laden errichtet, und danach lag bis zur Main Street nur noch eine Firma neben der anderen.
Einen Block vor der Main Street bog er ab und fuhr zum südlichen Stadtrand, bis zu einer Reihe von Viehfutterlagern und der Phillips-County-Genossenschaft, wo die Straße an einem Grundstück endete, auf dem nur Unkraut wucherte. Dann bog er wieder auf die Main Street und fuhr in die Richtung zurück, aus der er gekommen war.
Die Straße machte ihn sofort nervös. Er wußte, daß die Einwohner gemerkt hatten, was sich da zusammenbraute, ihre Besorgungen erledigt hatten und nach Hause gegangen waren, und daß er wohl so ziemlich als einziger noch unterwegs war. Der Himmel hatte sich höher gewölbt, aber die Stadt wirkte eingesunken und grau, und nur kleine Lichtfäden sickerten in die Luft. Er versuchte, nicht zur Seite zu blicken, bis er den kastanienbraunen Continental des alten Mannes entdeckte, der zwischen eine Reihe von Pickups gezwängt war und in dem Landrieu zusammengesunken auf dem Fahrersitz saß und versuchte, nicht gesehen zu werden. Der Wagen war vor einem alten zweistöckigen Haus aus Glas und Granit geparkt, das auf mehreren Fensterscheiben die
Weitere Kostenlose Bücher