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Ein Stueck meines Herzens

Ein Stueck meines Herzens

Titel: Ein Stueck meines Herzens Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard Ford
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Aufschrift »R. M. Knox« trug. In dem Augenblick, als er vorbeifuhr, versuchte er hineinzusehen, konnte aber nur einen hohen Stahltisch und eine Sekretärin ausmachen, die in einem hautengen Rock herumlief und eine Blumenvase in der Hand hielt. Sie verschwand in den Räumen, die hinter getrübtem Glas lagen, und er fragte sich, was für letzte Verfügungen Mrs. Lamb wohl gerade für den alten Mann traf und ob sie ihn schon von der Insel zurück nach Mississippi hatte schaffen lassen, oder ob es Gesetze dagegen gab, Leichen über die Grenze zu bringen, weshalb sie jetzt auch R. M. Knox brauchte. Alles wirkte auf ihn wie ein Ort, an dem er noch nie gewesen, der ihm aber dennoch vertraut war, wie etwas, das jetzt ganz und gar von seinem Leben entfernt war.
    Zwei Männer, die vor der Bank standen, betrachteten ihn beiläufig, und er hob die Hand, und einer von ihnen winkte und lächelte und redete dann wieder weiter.
    Er begann, die andere Seite des Blocks abzusuchen, an der eine Pure-Tankstelle lag, die Red-Ball-Ladenfront und eine Baumwollhandlung. Die Straße war fast leer. Ein Neger war stehengeblieben und schaute zum Himmel hinauf, und ein schwangeres weißes Mädchen ging in den Red-Ball und schob einen Kinderwagen vor sich her.
    Und dann sah er Beuna, ein Stück jenseits der Straßenecke, wo sie vor einem Laden für Rasenmäher stand, mit einem Fuß an der Bordsteinkante und dem anderen mitten auf dem Abflußgitter, und sie sah aus wie eine weiße Päonienblüte.
    Beuna trug ein weißes durchsichtiges Gazekleid mit einem weiten Ausschnitt aus Baumwollsatin, der auf ihren Brüsten tief herabfiel. Darunter bauschte sich das Kleid zu einem Gazeglockenrock mit Spitzenvolants, die bis zu ihren Knien gingen. Sie hatte rote Schuhe an und trug einen breiten roten Gürtel, der beinahe dazu paßte und so eng geschnallt war, daß er sich fragte, ob sie überhaupt atmen konnte oder ob sie einfach den ganzen Morgen an der Bordsteinkante gestanden, die Luft angehalten und versucht hatte, dabei nicht blau anzulaufen. Ihr Kleid besaß winzige Träger, und sie hatte eine große weiße Lackhandtasche dabei. Ihr Haar fiel bis auf die Schultern und war nach innen eingeschlagen, und sie lächelte ein breites leuchtendrotes Lächeln, als ob sie dachte, daß jemand gerade ein Foto von ihr machen wollte.
    Er ließ den Pickup über die Kreuzung schleichen, schaute prüfend in den Rückspiegel und steuerte dann direkt am Rinnstein entlang auf die Stelle zu, wo sie ihren Fuß hingesetzt hatte. Sobald er die Kreuzung passiert hatte, stieß er die Tür auf, und sie mußte zurückweichen, damit sie ihr nicht ins Gesicht schlug.
    Ihr breites Gangwaygrinsen wurde süß, und er konnte sehen, daß ihre Zähne mit Lippenstift beschmiert waren.
    »Wie sehe ich aus?« Sie spreizte ihre Beine, so daß er durch den Stoff hindurchsehen und alles erkennen konnte.
    »Wie eine Met-ze«, sagte er und fühlte, wie die Wut in ihm hochstieg.
    Sie leckte ihre Lippen. »Sehe ich nicht aus wie ’n Teenager?«
    »Du siehst wie eine Hure aus«, sagte er. Er warf noch einen Blick in den Spiegel.
    »Sehe ich nicht aus wie ein junges Mädchen, Robard?«
    »Verdammt noch mal, heb deinen Arsch hier rein, oder ich laß dich hier stehen, damit du steife Schwänze sortieren kannst.« Er sah schnell in den Spiegel und erwartete, vier oder fünf Männer die Straße hochrennen zu sehen.
    Sie senkte ihren Kopf und hörte auf, ihre Handtasche hin und her zu schwenken, und er konnte sehen, wie unter ihrem Kinn eine kleine Hautfalte erschien. Sie stieg in den Pickup und zog die Tür zu. »Wie hast du noch gesagt, sehe ich aus?«
    Überall roch er plötzlich den süßlichen Gardenienduft. »Wie eine Metze.« Er fuhr langsam von der Bordsteinkante weg und warf einen flüchtigen Blick auf die Zuschauer vor der Bank. Sie schienen sich nur für einen blau-weißen State-Police-Streifenwagen zu interessieren, der auf der Straße vorbeifuhr.
    »Was ist eine Metze?« fragte sie.
    »Eine Schlampe«, schnauzte er zurück und beobachtete gespannt den Streifenwagen, während er über die nächste Kreuzung glitt.
    »Oh«, sagte sie, ließ ihre Handtasche in ihren Schoß fallen und schob ihre Hände durch den Riemen. »Ich dachte, ich säh so aus, wie ich ausgesehen hab, als wir zwei bei Willard was miteinander hatten.«
    »Was ist aus Willard geworden?« fragte er. Er bog von der Main Street ab und schlug den Weg zum Steilufer ein. Der State-Police-Wagen fuhr in Richtung Memphis weiter. An

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