Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Ein Stueck meines Herzens

Ein Stueck meines Herzens

Titel: Ein Stueck meines Herzens Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard Ford
Vom Netzwerk:
suchen, wenn er nicht auf die Insel fuhr, was er vielleicht wirklich vorhatte? Und wenn das der Fall war, dann konnte er W. einfach vergessen, denn der würde schließlich auf der Insel landen, ohne einen Grund dafür angeben zu können, warum er da aufgetaucht war, zwischen Scharen von Leuten, die kamen und gingen und die er allesamt nicht kannte, Leichenbestatter, Rechtsanwälte, Sheriffs, Deputies, und dann mußte er den ganzen nächsten Tag dranhängen, um denen zu erklären, warum er auf diesem Privatgrundstück ausgerechnet an dem Tag aufgetaucht war, an dem Mr. Lamb beschlossen hatte zu sterben, und dann auch noch quasi in der Truthahnsaison. Er konnte schon weit weg sein, dachte er, wenn W. endlich die Kurve gekriegt hatte.
    Aber das war eben Teil der Ungewißheit, denn W. W. war ein Mensch, der nur so lange bei einer Sache blieb, bis jemand, zum Beispiel Gaspareau, ihn von etwas anderem überzeugte. Er hatte vielleicht bloß eine Weile versunken auf die Insel gestarrt, vermutet, daß es nichts bringen würde, wenn er hinüberfuhr, hatte sich mit einer Inspektion des Pickups und all seiner Inhalte begnügt und sich den Wagen dabei so genau angesehen, daß er ihn sofort wiedererkennen würde, wenn er ihn noch einmal sah, war nach Hause gegangen und hatte sich so postiert, daß er, wenn er den Pickup aus irgendeiner Gasse herausschlüpfen sah, die gesamte Artillerie, die er zur Hand hatte, auf ihn abfeuern konnte.
    Was zur Preisfrage überleitete. Wie war W. ihnen eigentlich genau auf die Schliche gekommen? Es war unwahrscheinlich, daß irgend jemand am Postamt gewesen war und gesehen hatte, was da passiert war, und es war noch unwahrscheinlicher, daß jemand in der Nähe gewesen war, als er sie zurückbrachte, denn dann hätte er inzwischen davon gehört, und zwar von Beuna selber. Und er konnte sich auch nichts vorstellen, was Gaspareau mißtrauisch gemacht haben könnte, jedenfalls so mißtrauisch, daß er auf eigene Faust Nachforschungen anstellte, auf den einzig richtigen Mann kam und ihn zum Lager brachte, sich dann die ganze Mühe machte, sich im Regen hinzustellen und ihm eine blanke Lüge über irgendeinen »Fremden«, den er erwischt hätte, aufzutischen, denn das hätte ihn ja bloß alarmiert und ihm die Möglichkeit verschafft, rechtzeitig aus der Stadt zu verschwinden. Und weil Gaspareau so ein mieser Typ war, hätte sich der Scheißkerl diese Mühe einfach nicht gemacht, und das wußte er auch.
    Weshalb eigentlich nur Beuna in Frage kam. Was auch nicht besonders einleuchtend war, denn sie war’s schließlich, die unbedingt mit ihm nach Memphis wollte und ins Peabody Hotel unter diese Dusche und die endlich die Gelegenheit haben wollte, ihr Kunststück vorzuführen. Und er meinte, daß sie sich das so kurz vorm Ziel nicht selber verderben würde, weil es doch so etwas wie der Höhepunkt einer Sache zu sein schien, die von unersetzlicher Bedeutung für ihr Leben war.
    Er fuhr den Hügel nach West Helena hoch. Der Hügel war von Kudzu-Lianen überwuchert. Die Straße machte einen kurzen Abstecher unter den Hügelrand, bevor sie den Hügel erreichte, und hinter sich konnte er die Stadt erkennen, die sich allmählich verdunkelte, den Regen, der die Dämmerung verwischte, und die kleinen flimmernden Lampen, die in den Rangierbahnhöfen eingelassen waren, ein Halsband aus Gaslampen, das mitten in seinem Sichtfeld schwebte. Der Regen hing dunkel am jadegrünen Himmel über dem Schwemmland, eine schmierige Masse aus Unwetter und Gewitterwolken, die nach Mississippi hinüberfegte, und auf der Brücke in der Ferne fing sich glitzernd das niedrige Sonnenlicht. Er fuhr die düstere Kurve nach West Helena hinein und fragte sich, ob es wohl einmal wieder besser käme, als es jetzt war.
    Die Stadt bestand nur aus ein paar schwach beleuchteten Straßen. Jede führte eine kurze Strecke in beide Richtungen und endete dann. Es gab ein Hutgeschäft in einem Backsteinhaus, einen Drugstore, eine Dominohalle und das Razorback-Kino, das so aussah, als könnte es sogar in Betrieb sein. Die anderen Häuser, die nicht vernagelt waren, sahen leer aus. Ein John-Deere-Laden an der Ecke war geschlossen. Er dachte, daß es außerhalb der Stadt weiter hinten am Hang ein paar Leute mit französischen Namen gegeben hatte und ein paar Häuserreihen am Stadtrand im Westen, wo die Neger wohnten, die in den Feldern Richtung Sappho arbeiteten und zur Arbeit in den Lastern mitfuhren, die von Helena aus hochkamen.
    Zwei Motels lagen

Weitere Kostenlose Bücher